28.06.2018

"EU-Jugendprogramme sind unerlässlich für den deutsch-türkischen Jugendaustausch"

Portrait Ibrahim DemirelIbrahim Demirel ist der Koordinator des Jugendbereichs bei der Türkischen Nationalen Agentur für Erasmus+. Mit JUGEND für Europa sprach er auf der Konferenz "Different Views, New Narratives" in Berlin über aktuelle Herausforderungen in der deutsch-türkischen Jugendarbeit und die Aufnahme der Türkei in das Europäische Solidaritätskorps.

JUGEND für Europa: Herr Demirel, im Inputreferat von Prof. Özgehan Şenyuva von der Middle East Technical University in Ankara haben wir gehört, dass Jugendliche und Geflüchtete als zwei marginalisierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden — in der Türkei ähnlich wie in vielen anderen Ländern auch. Was kann der internationale Jugendaustausch dagegen tun?

Ibrahim Demirel: Viele junge Menschen in der Türkei sind nicht besonders glücklich über die Anwesenheit der Geflüchteten, darum liegt ein Schwerpunkt der türkischen internationalen Jugendarbeit auf der Arbeit mit diesen Menschen. Wir können zwar an der Situation selbst nicht viel ändern, aber an der Wahrnehmung der türkischen Jugendlichen. Wenn sie einmal in einem anderen Land waren und gesehen haben, dass es dort ähnliche Probleme gibt, ändern sie ihre Einstellung gegenüber Geflüchteten.

Sind dafür bilaterale oder multilaterale Begegnungen besser geeignet?

Meiner Meinung nach sind es die multilateralen Begegnungen, die in den meisten Fällen die größeren Erfolge bringen. Wenn nur zwei Länder aufeinander treffen, kann es sein, dass man sich schnell einig wird über bestimmte Dinge. Die Perspektiven bei einer multilateralen Begegnung sind naturgemäß vielseitiger.

Welchen Schwierigkeiten sehen sich Organisationen in der Türkei aktuell gegenüber, wenn sie internationale Jugendbegegnungen planen und durchführen wollen?

Die größte Herausforderung stellen Projekte dar, die in der Türkei durchgeführt werden sollen. Es finden sich kaum mehr Teilnehmende aus anderen Ländern, die zu uns kommen wollen. Das liegt an der sehr einseitigen und tendenziösen Berichterstattung, an der Annahme, es sei unglaublich gefährlich bei uns. Doch muss ich dem entgegenhalten, dass es, vor allem in den großen Städten, ähnlich sicher ist wie in Städten anderer Länder.

Wie könnte die Türkische Nationale Agentur diesem Problem begegnen?

Wir planen, mehr Fachkräfteaustausche und Netzwerkveranstaltungen zu organisieren, so dass die Bedenken zunächst bei den Organisatoren und Durchführenden abgebaut werden und Vertrauen aufgebaut wird. Diese Konferenz ist ein toller Start, viele Teilnehmende werden mit Kontakten nach Hause fahren und vielleicht entsteht das eine oder andere Projekt daraus.

Das Europäische Solidaritätskorps soll ab 2019 auch die Türkei als Partnerland einschließen. Welche Möglichkeiten ergeben sich Ihrer Meinung nach für türkische Organisationen?

Das EU-Jugendprogramm von Erasmus+ ist für die Türkei das wichtigste Austauschprogramm mit der EU im Jugendbereich und eine unerlässliche Grundlage, damit die Jugendlichen aus Deutschland und der Türkei weiterhin in Kontakt bleiben können. Darum freuen wir uns, dass vor zwei Wochen die Nachricht einging, dass die Türkei auch Teil des Europäischen Solidaritätskorps sein wird. Aber auch hier haben wir das Problem, dass wir vor allem Jugendliche entsenden, weniger aufnehmen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Jugendlichen, die bei uns ihren Freiwilligendienst absolvieren, nicht besonders glücklich über ihre Aufgaben in den Organisationen sind. Daran werden wir arbeiten, zum Beispiel über nationale Trainerausbildungen in der Türkei.

(Das Interview führte Babette Pohle für JUGEND für Europa)

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