13.08.2009

„Der kulturellen Bildung traut man derzeit einiges zu“

Es ist das europäische Jahr der Kreativität und Innovation. Ein gutes Jahr, um in der europapolitische Bildung nach neuen Methoden und Formaten zu suchen. Die Fundgrube ist größer, als man denkt. Einblicke aus der Werkstatt-Tagung „Create Europe“ in Peseckendorf/Sachsen-Anhalt.

Im Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation darf man schon mal besondere Wünsche äußern. Das sieht auch Rolf Witte nicht anders. Witte ist Leiter der Jugendkulturpolitik International bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) in Remscheid. Sein Ziel: Die europapolitische Bildung soll bei der Vermittlung ihrer Inhalte verstärkt auf attraktive Methoden und spannende Darstellungsformate setzen – und dabei, so Witte, könnte die BKJ durchaus behilflich sein.

„Europa bietet ein spannendes Thema. Warum werden nicht viel öfter Künstler zur Gestaltung von Workshops dazu geholt“, fragt Witte und sieht seinen Verein in exponierter Stellung. „Wer bei uns anruft, bekommt zielgerichtet die Künstler empfohlen, die in ihrem Umgang mit Jugendlichem erfahren sind.“

Szenen miteinander vernetzen

Politische und kulturelle Bildung zusammenbringen, zwei Szenen miteinander vernetzen, das will Witte. Und er steht damit nicht allein da. Zusammen mit der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt (LKJ) und JUGEND für Europa veranstaltete die BKJ eine Werkstatt-Tagung im sachsen-anhaltinischen Niemandsland. Ihr Titel: „Create Europe“.

Eine Werkstatt mit Pioniercharakter. Denn von Peseckendorf soll ein Signal ausgehen, das der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, bereits 2001 auf seine eigene Formel gebracht hatte: „Politische Bildung ist immer auch kulturelle Bildung.“ Einerseits. Andererseits lässt sich nicht bestreiten: Beide Bildungsformen sind nicht immer gleichzeitig en vogue. Es herrscht Konjunktur-Versetztheit. Und zurzeit, so sieht es zumindest Witte, „traut man der kulturellen Bildung in Deutschland einiges zu.“

Keine falschen Formate

Auch Thomas Rackwitz traut man einiges zu. In seiner Arbeit mit Jugendlichen setzt der Kulturmanager aus Halberstadt europäische Themen gerne in Hörspielen, Features und Schwarz-Weiß-Fotografie um. In Peseckendorf zeigt er, wie am Computer mit wenigen Kniffen eine selbst erdachte Comic-Geschichte entwickelt wird.

„Eine Story erarbeiten, Charaktere erfinden, eine Aussage formulieren – all das geht einfacher, als viele denken“, sagt Rackwitz und freut sich über das nachhaltige Interesse an seiner Werkstatt. Andere Teilnehmer probieren sich in anderen Medien aus. Foto, Theater, Radio oder gar Rap – wenn es um die Auseinandersetzung mit Europa geht, gibt es kein „falsches Format“.

Warum und wozu sollen wir uns mit Europa beschäftigen, fragt Mark Taylor, freiberuflicher Trainer in Straßburg, in einem anderen Workshop. Er stellt viele Fragen, gibt aber auch Antworten. „Geschichte ist Biographie. Die Beziehungsebene ist von entscheidender Bedeutung, wenn man Europa aufbauen möchte“, sagt der gebürtige Engländer, „nur wenn ich einen konkreten Bezug zu etwas habe, wird mein Interesse geweckt.“ In jedem Fall aber werde zu viel über Europa geredet und zu wenig gehandelt, so Taylor.

Schlagabtausch im Boxring

Dabei kann man auch beim Reden mächtig ins Schwitzen geraten, wie sich in Peseckendorf zeigt. In Rede-Duellen treten zwei Teams gegeneinander an, ihre jeweiligen Vertreter müssen sich auf der Bühne argumentativ bekämpfen.

Im Boxring wird entschieden, ob jedes Projekt europäischer Jugendbildung für jeden Jugendlichen ohne spezifische Vorkenntnisse zugänglich sein soll. Eine willkommene Abwechslung ist das zu den gängigen Diskurs-Formaten, die für Jugendliche oft eins sind: öde. 

Wo die von allen Seiten erwünschte Melange von politischer und kultureller Bildung am Ende hinführen wird, dass wird sich in Zukunft zeigen müssen. Mark Taylor wünscht sich, dass die Jugendarbeit erwachsener wird, um allen zeigen zu können, „was wir können.“ Im Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation hört man solche Sätze besonders gerne. Schön, wenn sie nach 2009 weiter klingen.

(Marco Heuer)

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Ein Methodenbuch zum Einsatz kreativer Methoden in der Jugendbildung erscheint voraussichtlich Ende dieses Jahres.

Nähere Informationen zur Arbeit der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) in Remscheid gibt es unter www.bkj.de.

Die Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt in Magdeburg (LKJ) findet sich im Internet unter www.jugend-lsa.de/lkj.

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