26.09.2025

Die Zukunft gestalten: Jugendarbeit in Zeiten gesellschaftlichen und politischen Wandels – Europe@DJHT

JUGEND für Europa hat die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen aus ausgewählten Veranstaltungen von Europe@DJHT auf dem 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in einem Bericht gesammelt. Außerdem blickt JUGEND für Europa im Interview mit Barbara Schmidt dos Santos auf die Veranstaltung zurück.

Der 18. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT) fand vom 13. bis zum 15. Mai 2025 in Leipzig statt und stand unter dem Motto "Weil es ums Ganze geht. Demokratie durch Teilhabe verwirklichen!". Der erste Präsenz-DJHT seit 2017 hat einen neuen Teilnahmerekord verzeichnet: Rund 42 600 Menschen waren in Leipzig und digital dabei, davon dank Europe@DJHT auch 100 Besucher*innen aus 25 europäischen Ländern.

An nahezu 300 Ständen präsentierten rund 400 Aussteller*innen ihre Angebote auf dem Messegelände des DJHT. Das Fachprogramm war mit rund 300 Fachveranstaltungen und Messeforen breit gefächert. Insgesamt 32 europäische und internationale Veranstaltungen fanden im Rahmen von Europe@DJHT statt. Die Angebote behandelten zentrale Zukunftsthemen wie Demokratiebildung, Inklusion, Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe.

Bericht zu Europe@DJHT

Jetzt ist der Bericht zu Europe@DJHT erschienen. Hierin werden die Erkenntnisse aus sechs thematischen Sitzungen zusammengefasst, die sich damit befassten, wie die Jugendarbeit auf einige der drängendsten Transformationsprozesse unserer Zeit reagiert: Vertreibung und Migration, digitaler Wandel, Klimawandel sowie politische und soziale Polarisierung.

Diskussionen und Interaktionen, in denen diese vier Transformationsprozesse und ihre Auswirkungen auf die Jugendarbeit und die Teilhabe junger Menschen in Europa untersucht wurden, werden im Bericht analysiert. Außerdem enthält er Empfehlungen, die mit und von den Teilnehmenden für verschiedene Akteure formuliert wurden, die an der Umsetzung und (Weiter-)Entwicklung von Jugendarbeit beteiligt sind.

Hier geht es zum ausführlichen Bericht in englischer Sprache: Europe@DJHT Report

"Kinder- und Jugendhilfe ist unverzichtbar"

Auch Barbara Schmidt dos Santos (Teamleitung Strategien und Projekte bei JUGEND für Europa) blickt auf die Veranstaltung zurück. Was waren die Highlights des diesjährigen DJHTs? Was wird in Erinnerung bleiben?

JfE: Liebe Barbara, der DJHT bietet eine Plattform für Diskussion und Austausch. Wo steht die Kinder- und Jugendhilfe, wo will sie hin – und was hat sie anzubieten?

Barbara: Die Kinder- und Jugendhilfe steht aktuell vor der Aufgabe, vielfältige gesellschaftliche Krisen und Umbrüche aktiv aufzugreifen. Sie unterstützt junge Menschen bei einem gelingenden Aufwachsen, was angesichts der herausfordernden Zeiten eine komplexe Aufgabe ist. Und das, während das Arbeitsfeld selbst immer stärker unter Druck gerät, unter anderem durch den Fachkräftemangel und begrenzte finanzielle Ressourcen.

Für mich hat der DJHT eindrucksvoll gezeigt, wie unverzichtbar und zugleich wirksam die Kinder- und Jugendhilfe in den aktuellen Zeiten ist, Demokratie und Teilhabe aktiv zu fördern. Sie tut das ganz konkret: Auf der lokalen Ebene, wo junge Menschen in Vereinen, Jugendzentren oder Projekten engagiert sind, bis hin zur europäischen Ebene, wo internationale Begegnungen neue Horizonte eröffnen.

Du warst schon auf fünf DJHT. Wie hast du diesen DJHT erlebt? Was war dieses Mal vielleicht anders?

Ich habe den DJHT in Leipzig als ein sehr lebendiges Event erlebt. Es ist für mich immer wieder beeindruckend, die Kinder- und Jugendhilfe in ihrer ganzen Vielfalt zu sehen. Besonders berührt hat mich, dass wir uns nach dem letzten digitalen DJHT im Jahr 2021 wieder live begegnen konnten.

Auch wenn die Pandemie schon einige Zeit zurückliegt, spüre ich noch immer, wie wertvoll es ist, in Präsenz zusammenzukommen und die besondere Energie solcher großen Veranstaltungen zu erleben. Gleichzeitig ist mir positiv aufgefallen, dass die europäische Dimension des DJHT stärker geworden ist. Europa ist sichtbarer und selbstverständlicher Teil der Kinder- und Jugendhilfe, und die europäischen Themen hatten auf dem DJHT in Leipzig eine große Relevanz.

Der DJHT stand unter dem Motto "Weil es ums Ganze geht. Demokratie durch Teilhabe verwirklichen!". Wie hat dich der DJHT inspiriert? Welche Erkenntnisse konntest du in den drei Tagen vor Ort gewinnen?

Das Motto hat mich wirklich inspiriert, weil es genau den Kern der Kinder- und Jugendhilfe trifft und die Themen in den Mittelpunkt stellt, die auch für uns in der internationalen Jugendarbeit von hoher Relevanz sind:  Demokratie entsteht nicht von selbst – sie braucht Räume, in denen junge Menschen Verantwortung übernehmen und Beteiligungserfahrungen machen können.

Auf dem DJHT habe ich viele Beispiele gesehen, wie das gelingt, sei es in der lokalen Jugendarbeit oder in internationalen Kooperationen. Dabei ist die Beteiligung aller jungen Menschen ein zentrales Anliegen. Gerade dieser inklusive und diversitätsorientierte Ansatz spielt auch in den EU-Jugendprogrammen eine große Rolle und war deshalb auf dem DJHT auch für uns ein zentrales Thema.

JUGEND für Europa war Kooperationspartner der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) für Europe@DJHT, das europäische Programm beim DJHT. Was habt ihr im Rahmen von Europe@DJHT organisiert? Bist du zufrieden mit der Resonanz?

Wir sind der AGJ sehr dankbar, dass sie uns und anderen Akteuren ermöglicht hat, uns so aktiv einzubringen und die europäische Dimension beim DJHT weiter zu stärken und sichtbar zu machen. Dies haben wir durch verschiedene Maßnahmen umgesetzt: Wir haben Fachveranstaltungen organisiert und rund 100 europäische Fachkräfte aus 25 Ländern begrüßt.

Es war uns wichtig, dass die europäischen Kolleg*innen nicht nur die Europe@DJHT-Angebote wahrnehmen, sondern das gesamte Großevent kennenlernen und Einblicke in die deutsche Kinder- und Jugendhilfelandschaft gewinnen konnten. Dafür haben wir zum Beispiel auch Messerundgänge zu einzelnen Ständen organisiert.

Besonders wertvoll war die Vernetzung, sowohl unter den europäischen Teilnehmenden selbst als auch mit deutschen Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe. Viele nutzten auch selbstorganisiert die Angebote anderer Akteure, was spannende Begegnungen und neue Perspektiven eröffnete. Ein besonderes Highlight war, dass die europäische Dimension auch in unserer zentralen Eröffnungsveranstaltung und in der gemeinsamen Abschlussveranstaltung mit der AGJ sichtbar wurde.

Darüber hinaus haben wir uns mit einem großen Stand zu den EU-Jugendprogrammen am ‚Marktplatz Europa‘ präsentiert. Dort kamen wir mit zahlreichen Besucher*innen ins Gespräch, die sich für die EU-Jugendprogramme interessierten oder überlegten, selbst einzusteigen. Diese direkte Resonanz war für uns eine besonders wertvolle Erfahrung.

Was schätzt du: Der nächste DJHT findet 2029 statt. Welche (europäischen) Themen werden in vier Jahren im Mittelpunkt stehen?

Ich glaube, wir alle haben in den letzten Jahren gelernt, dass wir keine Glaskugel haben, mit der wir die Zukunft vorhersehen können. Kriege, Pandemie – vieles kam unerwartet und hatte große Auswirkungen auf unser Arbeitsfeld insgesamt und auch auf die internationale Jugendarbeit. Deshalb denke ich, dass wir auch in Zukunft eine Offenheit brauchen, um auf unvorhergesehene Entwicklungen pragmatisch reagieren zu können. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Themen, die jetzt schon stark diskutiert werden, auch in vier Jahren noch gesellschaftlich relevant sein werden: Inklusion und Diversität, Nachhaltigkeit, Demokratie und Digitalisierung.

Auch die finanzielle Ausstattung der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Fachkräftegewinnung werden sicherlich brennende Themen bleiben. Ich gehe außerdem davon aus, dass die vielfältigen Krisen unserer Zeit sich immer mehr auf das Wohlbefinden von uns allen auswirken. Daher vermute ich, dass das Thema mentale Gesundheit von jungen Menschen und Fachkräften auf dem DJHT 2029 noch stärker in den Vordergrund rücken wird.

Meine Hoffnung ist aber, dass wir in vier Jahren bei all diesen Themen spürbare Fortschritte erreicht haben werden, für die jungen Menschen, aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt. Und dass wir auf dieser Basis die Debatten weiterentwickeln können. Ich möchte an dieser Stelle hoffnungsvoll enden: Ich wünsche mir, dass der nächste DJHT zeigen wird, was wir gemeinsam in der Zwischenzeit bewegt haben. All die inspirierenden und engagierten Menschen und Organisationen, die ich in Leipzig getroffen habe, geben jeden Anlass für Hoffnung.

Liebe Barbara, wir bedanken uns herzlich für das Interview.

(JUGEND für Europa)