03.12.2012

Neue Wege für die Jugendbeteiligung finden

Re-Thinking Youth Participation: Ein internationales Seminar zur Jugendpartizipation wird zur Ideenschmiede

Elena zieht einen der Träume aus dem Pappkarton. "Einen Unterschied machen", steht auf dem kleinen blauen Zettel. "Nutzt die Träume als Ziele", erklärt Trainerin Kristi, "and now go crazy. Überlegt euch eine Idee für ein neues Jugendprojekt. Stellt euch vor, ihr müsst eure Idee einem Sponsor vorstellen, der unendlich viel Geld hat. Alles ist möglich – aber ihr müsst überzeugend sein."

Die knapp 30 Teilnehmer des internationalen Seminars "Re-Thinking Youth Participation" machen sich an die Arbeit. Sie sind zwischen 19 und 37 Jahre alt; darunter sind sowohl Schüler als auch Jugendarbeiter. Elena kommt aus Rumänien, sie arbeitet mit Konstantin aus Deutschland und Saviour aus Malta zusammen an der Aufgabe. Die Teamarbeit klappt gut – obwohl sich die drei gerade mal einen Tag kennen. Sie haben ein gemeinsames Ziel: Neue Wege für die Jugendbeteiligung zu finden.

Drei Tage lang haben sich die Seminarteilnehmer in Bonn getroffen, haben einen Raum mit Plakaten, Postern und bunten Ideen gefüllt. Geleitet wurde das Ganze von einem internationalen Duo: Andreas Karsten aus Deutschland und Kristi Jüristo aus Estland. Die gemeinsame Sprache für alle war Englisch: die Teilnehmer kamen aus 13 verschiedenen Ländern.

Oft fehlt es an Wissen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Bevor das Neu- und Überdenken losgehen konnte, hat die Gruppe am ersten Tag erst einmal eine Art Bestandsaufnahme gemacht. Was sind denn die größten Probleme bei der Jugendbeteiligung? Auf einer überdimensionierten Mind Map hat Andreas alle Hindernisse gesammelt.

"Viele Jugendliche haben Visionen, aber sie sitzen in der Realität fest", fasst er zusammen. "Es fehlt schlicht an Wissen, zum Beispiel darüber, was man überhaupt machen kann, oder wie man die Sache angeht. Und es fehlt an Vertrauen, in die eigenen Fähigkeiten zum Beispiel – und in Politiker."

"Von denen ganz oben gehört werden", das ist auch ein Traum, der jetzt auf Elenas, Konstantins und Saviours Zetteln steht. Nach zwanzig Minuten haben die drei ihr neues Jugendprojekt entworfen. "Framework Theater", Rahmen-Theater, nennen sie ihre Idee. "Wir wollen nur die äußeren Bedingungen schaffen", erklärt Elena, "die Jugendlichen können dann selbst bestimmen, worum sich das Stück drehen soll." Außerdem soll ein Politiker im Publikum sitzen, der danach vielleicht die Sichtweise der Jugendlichen besser versteht.

"Die Leute wollen den Tiger als Erstes sehen"

Drei Minuten haben sie Zeit, ihre Idee vor dem Plenum vorzustellen – und vor der Jury. Die besteht aus Andreas und Nele von der estnischen Agentur JUGEND IN AKTION. Beide vergeben Noten, für Potential, Innovation und Kreativität. "Wer von euch den Eurovision Song Contest kennt, der weiß ja, wie das Prozedere geht", kündigt Andreas an und die Gruppe lacht.

PräsentationNeben dem Framework Theatre sind viele andere gute Ideen entstanden: Workshops mit benachteiligten Jugendlichen, die Yoga machen und Tiger streicheln sollen, "Sogame", ein soziales Online-Spiel, ein herumreisender Schulzirkus, eine Müll-Skulptur, ein selbst produzierter Film und Gangleaders, die als Jugendarbeiter eingesetzt werden.

Nach jeder Idee halten Andreas und Nele ihre Notenzettel hoch und geben ein kurzes Feedback. Andreas' häufigster Tipp: "Löst euch von der Bürokratie-Sprache und den Problemanalysen. Macht es greifbar – die Leute lesen nicht bis Seite Sieben, um da den Tiger zu sehen. Sie wollen ihn als Erstes sehen, also setzt ihn ganz nach vorn."

Am Ende gewinnt der Schulzirkus, und zwar den stolzen Preis von drei großen Haribo-Schachteln. "Framework Theatre" landet auf Platz Vier, aber das ist eigentlich nicht so wichtig - stürmischen Applaus gibt es für alle Ideen.

Jugendbeteiligung - was heißt das eigentlich?

Für Morgane vom Sieger-Team "Schulzirkus" ist das Seminar hier in Bonn eine ganz wichtige Abwechslung zu ihrer täglichen Arbeit. "Ich organisiere internationale Projekte mit Jugendbeteiligung bei einem humanitären Verband", erzählt sie. "Aber die bürokratischen Anforderungen sind so hoch geworden, dass ich 75 Prozent meiner Zeit mit Papierarbeit verbringe. Hier kann ich endlich kreativ über Jugendbeteiligung nachdenken und mich austauschen." Ein weiterer Teilnehmer nickt: Das Problem kennen viele hier.

Morgane hat auch eine klare Vorstellung, was Jugendbeteiligung bedeutet. "Kinder und Jugendliche einbeziehen in die Gesellschaft, auch wenn sie sehr weit davon entfernt scheinen." Ob Jugendbeteiligung politisch sein muss oder auch einfach sozial sein kann, darüber sind sich die Teilnehmer selbst nicht ganz einig. "Wenn jemand etwas für die Gemeinschaft tut, zum Beispiel älteren Menschen den Umgang mit dem Internet erklärt, dann ist das auch Jugendbeteiligung", argumentiert Morgane.

"Es muss nicht rein politisch sein", das stellt auch Barbara Schmidt von JUGEND für Europa am nächsten Morgen klar. Mit einem Quiz erfahren die Teilnehmer spielerisch mehr darüber, wie sie finanzielle Unterstützung für ihr Projekt bekommen können. Und danach wird es praktisch: Das Seminar endet mit einer Art Projektbörse. "Jetzt ist Netzwerk-Zeit", verkündet Kristi.

Suche Projektpartner, biete gute Idee

Auf Stellwänden präsentieren die Teilnehmer "ihre" Organisation, ihre Idee oder ihr Projekt, das sie von zuhause mitgebracht haben. Jeder stellt sich kurz vor, einige mit konkreten, schon gewachsenen Strukturen, andere nur mit einer vagen Vorstellung. "Ich möchte etwas zu Inklusion in Schulen machen", sagt eine Teilnehmerin. Sie sucht Projektpartner aus anderen Ländern. Das ist auch Elenas Ziel. Sie stellt die Organisation vor, die sie selbst gegründet hat, und ist froh über diesen praktischen Anteil an dem Seminar.

"Ich wusste schon viel über Förderung und Jugendbeteiligung. Von daher war bisher nicht so viel Neues für mich dabei", sagt sie. "Aber das ist ja immer so, wenn Leute mit unterschiedlichen Erfahrungshorizonten zusammen arbeiten." Auch Konstantin lobt den praktischen Ansatz. "Das ist eine super Chance, mich mit neuen Projekten zu vernetzen. Diese ganzen Leute hätte ich sonst nie getroffen." Alle hier freuen sich vor allem über die neuen internationalen Kontakte.

Als ein Mädchen aus Estland ihr Projekt vorstellt, sagt sie: "Es ist nicht so schlimm, wenn ihr noch nicht genau wisst, wie es laufen soll. Meldet euch trotzdem bei uns. Wir fangen einfach mit Träumen an und machen von da aus weiter."

(Text und Fotos: Anna Kohn)

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"Re-Thinking Youth Participation" war eine Kooperation zwischen der estnischen Nationalagentur und JUGEND für Europa

Zur estnischen Nationalagentur...

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