13.09.2012

Junger Europäer des Jahres 2012 - "Ich will zeigen, dass sich Mitmachen lohnt"

Der 24-jährige Robin May aus Wittenberg ist von der Schwarzkopf-Stiftung zum "Jungen Europäer des Jahres 2012" gewählt worden. Den Weg dahin ebneten ihm zahlreiche Projekte aus JUGEND IN AKTION: Jugendinitiativen, Europäischer Freiwilligendienst, Projekte der partizipativen Demokratie.

Der Politik- und Philosophiestudent ist von der Schwarzkopf-Stiftung in Berlin für sein Engagement um Europa ausgezeichnet worden. Er habe sich stets für die Schärfung des politischen Bewusstseins seiner Mitschüler eingesetzt, so die Jury. Erster und wichtigster Karriereschritt für Robin: Die über das Programm JUGEND IN AKTION geförderten Jugendinitiativen.

JUGEND für Europa gratuliert! Marco Heuer hat Robin May nach der Preisverleihung interviewt.

JfE: Robin, Du hast mit Deinen 24 Jahren schon zahlreiche Projekte erfolgreich durchgeführt. Kannst Du Dich an die Anfänge Deiner "JUGEND-IN-AKTION-Karriere“ überhaupt noch erinnern?

Robin May (lacht): Natürlich. Das war 2004. Ich war 16 und hatte mich vorher nur bei der Freiwilligen Feuerwehr bei uns auf dem Land engagiert. Dann kam die erste Jugendinitiative. Ich wollte in Wittenberg etwas verändern. Kommunalpolitik und Jugendliche – Forderungen und Wünsche. Das war unser Thema.

Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Es war die Initialzündung für mein politisches und gesellschaftliches Engagement. Aber Verbandsstrukturen mit starrem Regelwerk und großem zeitlichen Aufwand kamen für mich nicht in Frage. Ich wollte es so machen, wie ich es für richtig halte.

Wie ging es dann weiter?

Mit zahlreichen weiteren Projekten. Über die Jugendinitiative kam ich an ein Vernetzungs-und Austauschprojekt, dass damals – soweit ich weiß – als Projekt der partizipativen Demokratie gefördert wurde. Dann noch ein "Youth Bank Projekt" sowie meine Beteiligung bei der Servicestelle Jugendbeteiligung. Da lief in drei Jahren schon eine ganze Menge parallel.

Und irgendwann war Dir klar: Das ist mein Weg?

Ich sag´s mal so. Ich bin sehr dörflich aufgewachsen, aber irgendwann wollte ich mich nicht mehr nur lokal engagieren. Ich wollte mehr. Ich hatte inzwischen so viel Selbstbewusstsein aufgebaut, dass ich mir das zutraute. Wenn ich heute sehe, wie mich damals allein diese drei Jahre verändert haben, ist das enorm. Vorher konnte ich mir jedenfalls kaum vorstellen, im Ausland zu leben oder ein Studium anzufangen. Sogar meine Heimat zu verlassen, erschien mir weit weg.

Das hat sich geändert. Denn Deinen Europäischen Freiwilligendienst hast Du in Litauen absolviert. Wieso gerade dort?

Das Ganze begann 2007. Damals war ich leider viel zu spät dran, um mich bei einer der etablierten Entsendeorganisationen für ein Projekt zu bewerben, auf das ich richtig Lust hatte. Dann gab es lange Gespräche mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Und sie sagten mir, dass sie mich zu ihrem Partner in Litauen schicken könnten.

Einzige Bedingung: Ich müsste alles selbst in die Wege leiten. Und da ich unbedingt ins Ausland wollte und damals noch nicht wusste, welches Fach ich studieren sollte, sagte ich mir: Auf geht´s. Ich bin dann bei der Jugendorganisation "Centre for Creative Expression" in Kursenai gelandet.

Ich brauchte drei Monate, um mich zu Recht zu finden. Niemals in meinem Leben wurde von mir so viel Eigenverantwortung und Eigeninitiative verlangt.

Und hat sich der Sprung ins kalte Wasser gelohnt?

Auf jeden Fall. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass das ein Glücksgriff war. Interkulturelle Abende, Filmprojekte, Umweltschutz für Grundschulkinder – es gab eigentlich kaum etwas, was ich nicht mit organisiert habe.

Wie ging es nach dem EFD weiter?

Ich habe ein deutsch-litauisches Jugendnetzwerk gegründet. Während meines Freiwilligendienstes war mir klar geworden, dass sich die Probleme der Jugendlichen in den ländlichen Regionen Litauens von denen in meiner Heimat kaum unterschieden. Der demografische Wandel, die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher, die Politikverdrossenheit – da gab es viele Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern.

Am Ende entstand dann das Netzwerk "niA_network in Action", eine von JUGEND für Europa geförderte Jugendinitiative – damals mein größtes, arbeitsintensivstes und langfristigstes Projekt. Mir war vor allem an Nachhaltigkeit gelegen. Und so entstanden Kontakte zu Organisationen und Politikern, die ich bis heute pflege.

Und auch die Satire ist Teil Deiner Arbeit geworden. Was hat es damit auf sich?

Ich habe 2008 in Halle einen Bachelor in Politikwissenschaft und Philosophie angefangen. Während des Studiums habe ich dann die politische Satire-Gruppe "Front deutscher Äpfel" kennengelernt. Gemeinsam haben wir uns darüber Gedanken gemacht, inwieweit politische Satire helfen kann, Jugendliche für Partizipation und das Gespräch mit Politikern zu begeistern.

Und dann ist da ja auch noch die "Ungarische Knoblauchfront", eine Satire-Gruppe aus Budapest, die den Kampf gegen die Orban-Regierung aufgenommen hat. Überhaupt Ungarn. Das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Und wieder habe ich einen Projektantrag geschrieben.

Bei so vielen Projekten bleiben Misserfolg und Durststrecken in der Regel nicht aus. Wie gehst Du damit um?

Es gibt eigentlich in jedem Projekt Momente, in denen ich am liebsten alles hinschmeißen würde. Aber dann erinnere ich mich daran, was ich mit dem Projekt erreichen wollte, was ich schon erreicht hab und was noch unbedingt getan werden muss.

Oft setze ich mich mit den anderen Aktiven zusammen. Dann machen wir ein Zwischenfazit, besprechen Probleme und suchen Lösungen. Oder wir planen spontan einen Kurzurlaub, um die Stimmung im Team zu verbessern. Campen am See oder so etwas. Wenn alles nichts hilft, hänge ich mir große Zeitpläne ins Zimmer. Dann streiche ich immer genüsslich durch, was ich schon geschafft habe. Wichtig ist mir jedenfalls, das ganze Team mitzunehmen und niemals aufzugeben.

Martin Schulz überreicht den Preis der Schwarzkopf-Stiftung "Junger Europäer 2012" an Robin May. Bild: Adrian Jankowski

Was ist Dir bei der Preisverleihung eigentlich durch den Kopf gegangen, als der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, lobende Worte für Dich fand?

Das war natürlich ein ganz besonderer Moment. Ich fühlte mich geehrt und ernst genommen. Hoffentlich konnte ich ihm auch ein bisschen von den Europa-Vorstellungen näher bringen, die junge Leute wie mich bewegen. Was mir wieder einmal deutlich wurde: Martin Schulz ist ein gestandener Politiker, der rhetorisch kaum zu überbieten ist. Da würde ich mir gerne etwas von abgucken. Ich bewundere seine Bereitschaft, auf politischer Ebene mehr zu streiten. Trotzdem denke ich, dass wir nicht das gleiche zukünftige Europa vor Augen haben.

Apropos Europa: Du willst Jugendliche zum Mitmachen bewegen. Zu was eigentlich genau?

Da muss ich ein wenig ausholen. Ich komme ja aus einer strukturschwachen Region. Ich sage auch gern, ich bin im Postkommunismus aufgewachsen. Das heißt: Alles brach zusammen: Infrastruktur, Arbeitsplätze, Verbände, Perspektiven. In diesem politischen Partizipations-Scherbenhaufen war Eigenorganisation und politische Verantwortung nicht normal.

Zum Teil wird hier immer noch von vielen erwartet, dass alles von Oben erledigt wird. Das Schlimme daran ist, dass auch viele Jugendliche mit diesen Vorstellungen aufwachsen und das politische System als ein von privaten Interessen gesteuertes Monstrum ansehen, dass sie ohnehin nicht verstehen und auch gar nicht verstehen wollen.

Ich will zeigen, dass es auch anders geht, dass sich Mitmachen lohnt. Von der lokalen bis zur europäischen Ebene.

Und wie nimmst Du Europa gegenwärtig wahr?

Da sehe ich mehrere Probleme, die mir ernsthaft Kopfzerbrechen bereiten:

  1. die Flüchtlingspolitik in der EU. Zu viele Menschen zahlen einen zu hohen Preis dafür, in die Festung Europa zu gelangen. Und wer es schafft, wird oft wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt.
  2. nationalistische bis hin zu faschistischen politischen Bewegungen in einigen Ländern, mit dem extremen Fall Ungarn
  3. die Sorge, dass aufgrund der Schulden und der Finanzkrise die Demokratie auf EU-Ebene ausgehebelt wird und die EU zu einem rein ökonomischen Zusammenschluss verkommt
  4. dass politische Entscheidungen nur von Wahl zu Wahl getroffen werden, ohne ein funktionierendes Konzept dahinter

Dabei halte ich all diese Probleme für lösbar. Sie müssen nur angegangen werden.

Gibt es eine Botschaft, die Du den Jugendlichen gerne mit auf den Weg geben möchtest?

Ja. Wir junge Menschen müssen uns vielmehr damit beschäftigen, was in Europa wirklich passiert. Denn wir sind es schließlich, die mit den Konsequenzen hinterher noch Jahrzehnte leben müssen. Natürlich fühlen wir uns oft so, als würden wir gegen Windmühlen kämpfen. Aber im Endeffekt kommt es doch auf jeden von uns an. Mit ein bisschen Glück und Kooperation können wir viel verändern.

(Fragen: Marco Heuer, Bildquelle: Adrian Jankowski)

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