17.04.2009

Fachforum Europa 2009 in Weimar – oder: Wie gibt man im Superwahljahr europapolitisch Gas?

„Bundesliga ist wie Politik. Wenn du ins Stadion gehst, dann spielst du ja auch nicht selbst. Da spielt die Mannschaft deines Clubs, die besten Spieler. Die sind wie Abgeordnete deines Clubs. Die feuerst du an. Würdest du das Stadion den Fans der Gegenmannschaft überlassen? Natürlich nicht! Wenn du nicht wählst, tust du aber genau das: Du überlässt das Parlament den Fans der Gegenmannschaft.“

Mit Botschaften wie diesen will das ErstWählerProjekt Thüringen Schwung bringen in das Superwahljahr. Das Motto: „Du hast 2009 die Wahl!“ Denn: Im Freistaat wird in diesem Jahr gleich viermal abgestimmt: Europa- und Kommunalwahlen (7. Juni), Landtagswahl (30. August) sowie Bundestagswahl (27. September).

ErstWählerProjekt zur Europawahl

Vor allem jugendliche Erstwähler in der Berufsausbildung und benachteiligte Jugendliche in berufsvorbereitenden Einrichtungen sollen in Workshops lernen: Politik ist spannend und geht jeden etwas an.

Projektleiterin Marta Kurek stellte das Vorhaben auf dem „Fachforum Europa“ in der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW) vor – es ist eines von vielen impuls-verdächtigen Projekten, das den Akteuren in der europapolitischen Bildungsarbeit zeigen soll: Seht her, wir haben durchaus etwas anzubieten.

30 deutsche und polnische Teamer hat das ErstWählerProjekt Thüringen ausgebildet. 50 Projekttage stehen zur Verfügung, um mit den Jugendlichen in Berufsschulen oder Jugendeinrichtungen dies- und jenseits der Oder über Zukunftserwartungen, Jugendarbeitslosigkeit oder antidemokratische Strömungen zu diskutieren.

„Von der inhaltlichen Gestaltung sind wir sehr flexibel“, sagt Kurek, „mal haben die Teamer eine Stunde Zeit, mal acht Sunden – davon hängt ab, ob sie mit den Jugendlichen ein Planspiel durchführen oder einen Wahldurchgang simulieren.“

Mehr Sichtbarkeit für Europa-Projekte

Im Europawahljahr 2009 ist das Bemühen groß, eine Vielzahl von spannenden und innovativen Bildungsprojekten für Jugendliche auf den Weg zu bringen. Mangelnde Sichtbarkeit lässt aber selbst ausgewiesene Experten in der europapolitischen Szene verzweifeln. „Sicherlich ist auch mein Blick ein bisschen eingeschränkt, aber ich sehe die immer wieder zitierten zahlreichen Europa-Projekte wirklich nicht. Entweder brauchen wir noch mehr Initiativen oder die bestehenden müssen besser nach außen kommuniziert werden“, sagt Ulrich Ballhausen, Leiter der EJBW.

Das „Fachforum Europa“ ist für ihn nicht mehr wegzudenken. „Wir brauchen einen Ort, an dem wir kontinuierlich über aktuelle Entwicklungen in der europapolitischen Bildungsarbeit mit Jugendlichen sprechen können. Es macht Sinn, sich über gelungene Projekte auszutauschen. Es macht auch Sinn, mit Experten über dieses Thema zu sprechen.“

Zeitungs-Psychologie

Petra Pinzler ist eine dieser Expertinnen in Weimar. Die Berliner Journalistin der ZEIT verschafft dem Fachpublikum einen Einblick in die Zeitungs-Psychologie bei der Absetzbarkeit europäischer Themen. „In der ZEIT verkaufen sich Bilder von europäischen Symbolen wie Big Ben, Eifelturm oder Brandenburger Tor hundertfach besser als die blaue Europaflagge“, weiß Pinzler“, „Europa muss zudem von unten gestaltet sein. Den Abgeordneten des Europäischen Parlaments muss ein konkretes Gesicht gegeben werden, damit Jugendliche wählen gehen.“

Die Hoffnung hat Pinzler noch nicht aufgegeben. Die etablierte Fußball-Europameisterschaft und ihr Zuspruch durch junge Menschen zeige schließlich, dass Europa Interesse wecken kann.

Europa hat Konjunktur

Interesse wecken an Europa – das war auch das Ziel der Weimarer Arbeitsgruppen. Sechs Workshops haben die Veranstalter in diesem Jahr auf die Beine gestellt. Das Thema Europa – wieder einmal beleuchtet aus einer Vielzahl hochkonjunktureller Blickwinkel.

Der „Strukturierte Dialog“ war ebenso vertreten wie „europabezogene Angebote für bildungsferne Jugendliche“ und aktuelle Ansätze zur „Europäischen Bürgerschaft“ (siehe hierzu auch die Interviews mit Hans-Eckart Steimle und Barbara Tham). Hinzu kamen Workshops zur „Europapolitischen Bildung und Transnationalität“, „Unterrichtsmethoden zur Europawahl“ sowie Erläuterungen zur Wahlprognose- und Wahlanalyse-Software „GrafStat“, die von der Universität Münster und der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt wurde, um Jugendliche für die Arbeit des Datensammlers und Sozialforschers zu begeistern.

Direktes Feedback

Viele Teilnehmende genossen die bunte Mischung der Angebote – wie Johannes Röhr, Projektleiter von „Europa geht weiter – gute Aussichten 2009“ bei der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt. „Es tut gut zu wissen, dass man das Rad nicht immer selbst neu erfinden muss. Wir können zum Beispiel Materialien der Young EU Professionals nutzen, das ist eine enorme Erleichterung.“

Positiv auf dem Fachforum sei auch die Möglichkeit, ein direktes Feedback bei der Vorstellung eigener Projekte zu bekommen. „Etwas verändern würde ich nur den zeitlichen Ablauf. Es läuft zu viel parallel. Die Ergebnisse müssten noch besser kanalisiert werden“, so Röhr.

EuroPeer Maria John (22) kam vor allem nach Weimar, um mal wieder ihr Europa-Wissen aufzufrischen. „Ich will unbedingt etwas zur Europawahl machen. Ich suche hier nach Anregungen“, sagt John und ist nur über eine Sache verwundert. „Warum sind hier so wenige EuroPeers?“

„Alles eine Frage der Leidenschaft“

EJBW-Leiter Ballhausen weiß, wie es mit Europa weiter aufwärts gehen kann. Er fordert „mehr Leidenschaft, mehr Dynamik, mehr Öffentlichkeit“. Europa sei eine viel zu gute Idee, als dass sie den Technokraten überlassen werden sollte. Das finden auch die Macher des ErstWählerProjekts Thüringen. In ihren Broschüren haben sie eine Fülle von Muntermach-Botschaften für Jugendliche parat.

„Politik ist auch Geschmackssache. Mit deiner Stimme kannst du nicht die Regierung bestimmen. Das ist wie beim Fernsehen in der Familie. Da kannst du auch nicht allein bestimmen, welche Sendung gesehen wird. Aber du kannst wenigstens das Programm mit auswählen.“

(Marco Heuer)

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Wer mehr über das deutsch-polnische ErstWählerProjekt Thüringen erfahren möchte, findet zusätzliche Informationen unter www.du-hast-2009-die-wahl.de und www.2009-ty-masz-wybor.eu.

Weitere Informationen zum Onlineprojekt "GrafStat" finden Sie auf der Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung. mehr...

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