16.03.2009

Mehr als ein Schulterklopfen! Youthpass - Der Lern-Nachweis in JUGEND IN AKTION

3.000 Teilnehmer in 447 geförderten Projekten haben in Deutschland bis heute einen Youthpass erhalten. 2007 zusammen mit dem neuen europäischen Jugendprogramm eingeführt, soll der Youthpass gleich drei Fliegen mit einer Bescheinigung schlagen.

Dabei wird der Lernnachweis im Moment "nur" für Jugendbegegnungen, den Europäische Freiwilligendienst und die Unterstützenden Maßnahmen ausgestellt. Jugendinitiativen folgen bald. Europaweit waren es übrigens 25.000 Teilnehmern in 2.962 Projekten. Doch schon jetzt ist Youthpass ein Erfolg in vielfacher Hinsicht:

  • Ein Lernnachweis wurde europaweit eingeführt, wird angewendet und ist anerkannt.
  • Eine Vielzahl von Organisationen und Einrichtungen nimmt das Thema "Anerkennung von Lernprozessen" aktiv in ihre Arbeit auf.
  • Youthpass fördert die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen.
  • Die komplexe technische Basis, die natürlich alle Sprachen berücksichtigt, funktioniert.
  • Qualität von internationalen Jugendprojekten erreicht eine messbar neue Dimension im europäischen Ausmaß.

Warum ein Zertifikat?

Nicht nur für die EU-Kommission ist der Youthpass ein Meilenstein in der seit bald acht Jahre währenden Diskussion um die Anerkennung und Qualifizierung von Lern- und Bildungsprozessen. Seit der Konferenz der europäischen Regierungschefs im Jahr 2000 in Lissabon steht das Thema „Bildung“ und seine Relevanz für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Europa ganz oben auf der Agenda. Mit der nach dem Tagungsort so genannten „Lissabon-Strategie“ soll die Europäische Union bis zum Jahr 2010 zum „größten wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Raum in der Welt“ werden, „der zu einer nachhaltigen ökonomischen Entwicklung mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und größerer sozialer Einigkeit fähig ist“.

Die Anhebung des durchschnittlichen Bildungsniveaus der Europäer ist ein wichtiger Baustein dieser Strategie. So stellte sich für die Europäische Kommission, und damit auch für die Mitgliedstaaten, die politische Aufgabe, das Konzept des „Lebenslangen Lernens“ in allen Lebensaltern und Bildungsbreichen umzusetzen. Dafür wurde ein eigener Plan aufgelegt, das „Arbeitsprogramm Bildung und Ausbildung 2010“.

Den einschneidenden politischen Schritt in Richtung Anerkennung und Nachweis nicht nur formaler Bildungsabschlüsse - also Schul- oder Hochschulzeugnisse oder Abschlüsse in der beruflichen Bildung - unternahmen die Bildungsminister der EU 2002 in Kopenhagen. Sie betonten in der so genannten Kopenhagener Erklärung, dass der Ermittlung und Validierung auch von nicht formalem und informellem Lernen im Kontext des lebensbegleitenden Lernens eine zentrale Rolle zukomme. Unter Validierung verstehen sie einen Prozess der Identifizierung, der Einschätzung und der Anerkennung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die Menschen in ihrem Leben und in verschiedenen Kontexten erlangen, z. B. durch Erziehung, Arbeit oder Freizeitaktivitäten. Übergeordnetes Ziel ist es, die Akzeptanz von Lernprozessen jeder Art erhöhen.

Wichtige Schritte im Einigungsprozess der Mitgliedstaaten, wie Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen ganz verschiedenen Bildungsabschlüssen, Qualifikationen und anderen Lernerfahrungen hergestellt werden kann, war die Entwicklung des „Europäischen Qualifikationsrahmens“ und die Empfehlung von „Europäischen Schlüsselqualifikationen“. Beide definieren gemeinsame europäische Bezugswerte und Prinzipien, mittels derer man Lernziele und -ergebnisse beschreiben kann.

Für die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union, vor allem die jungen, sollen langfristig Instrumente geschaffen werden, mit denen diese europaweit dokumentieren können, was sie gelernt haben. Im Rahmen der beiden Aktionsprogramme der formalen Bildung, SOKRATES und LEONARDO da VINCI, wurde ein erstes wichtiges Instrument für die Transparenz von Lernergebnissen Anfang 2005 präsentiert – der Europass (www.europass-info.de). Er bescheinigt zum Beispiel Ausbildungsanteile, die im Ausland erworben wurden.

Der Youthpass soll Türen öffnen

Und damit sind wir wieder beim Youthpass. Mit ihm soll nun auch das nicht-formale Lernen, außerhalb von Schule und Institutionen, validiert und anerkannt werden. Damit erfüllt man auch an Forderungen des Weißbuchs „Neuer Schwung für die Jugend Europas" und an den „Europäischen Jugendpakt“ an, in deren Zusammenhang immer wieder auf den Handlungsbedarf für eine Anerkennung nicht-formalem Lernens hingewiesen wurde.

Mittels Youthpass können die Schüsselkompetenzen beschrieben werden, die Jugendliche in der „Freizeit“, also bei freiwilligem Engagement und in der Jugendarbeit erwerben. Das Zertifikat soll damit nicht nur das individuelle Lernen und das Selbstbewusstsein fördern, was im formalen System oftmals „untergeht“, sondern vor allem benachteiligten Jugendlichen neue Chancen bieten, sich für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt auch von anderen als der schulischen Seite zu präsentieren.

Skeptiker grübeln noch

Und genau hier setzt der Argwohn derer an, die der Entwicklung von Nachweissystemen außerhalb formaler Bildungszusammenhänge kritisch gegenüberstehen. Einer der Einwände ist der Hinweis auf die Gefahr, dass Aktivitäten der Jugendarbeit damit über kurz oder lang eine quasi schulische Lernzielausrichtung erhalten könnten. Mit Blick auf eine Zertifizierung am Ende einer Maßnahme könnte man schon mal versucht sein, für die Teilnehmenden eine Leistungs-Latte zu legen. Das widerspräche nicht nur den Prinzipien von Jugendarbeit, sondern auch den Absichten der Jugendministerinnen und -minister der EU. Denn diese haben immer wieder betont, dass nicht-formale und informelle Lernangebote der Jugendarbeit grundsätzlich einem anderen Ansatz folgen als formale Bildung. Sie setzen eine freiwillige Teilnahme voraus, eine Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen und eine weitgehend selbstbestimmte Gestaltung der Aktivitäten - und sind somit ergebnisoffen.

Dem hohen Grad an individueller Gestaltung und individuellen Erfahrungen könnte jedoch entgegenstehen, dass ein diese Erfahrungen bescheinigendes Zertifikat nur so viel wert ist, wie es eine Vergleichbarkeit von Leistungen, Kompetenzen oder Qualifikationen zulässt. Lässt sich das mit einer individuellen Beschreibung für jeden einzelnen Teilnehmenden leisten? Wenn der Youthpass mehr sein will als ein Schulterklopfen, muss es eine Systematik oder Standardisierung geben. Aber man kennt ja das Elend mit den Formulierungen in Zeugnissen: Eine ganze Ratgeberlandschaft lebt davon. Wie lange wird es also dauern, bis auch der Youthpass eine „Geheimsprache“ ausgebildet hat?

Und ein dritter Punkt, der besonders in Deutschland die Skepsis nährt, ist die Tatsache, dass es hier neben dem Youthpass inzwischen etliche andere Bescheinungen und Nachweise gibt und das ganze unübersichtlich werden könnte. Dann würde es auch nichts mit der Wirksamkeit auf Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

Die Praxis zeigt es

Das Argument für den Youthpass ist vor allem seine europaweite Verbreitung. Die EU-Kommission denkt mit den Mitgliedstaaten inzwischen darüber nach, wie er in weitere Instrumente zur Darstellung von lebenslangem Lernen Eingang finden kann. So soll es – als Teil des existierenden „Europass“ - ein vergleichbares und transparentes Instrument zur Ermittlung und Anerkennung nicht-formaler Lernerfahrungen besonders von jungen Menschen geben. Damit könnten die vorhandenen Europass-Elemente - wie der Europäische Lebenslauf und der Mobilitätspass - um jugendspezifische Aspekte erweitert werden.

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