12.10.2007

Dudelsack-Praktikum in Schottland?

Das Europäische Jugendinformationsnetzwerk Eurodesk kennt die Mobilitätsmöglichkeiten, die das Ausland Jugendlichen bietet – Informationen über Förderprogramme auch für Fachkräfte

Robert Helm-Pleuger weiß, wie er Jugendliche für einen Auslandsaufenthalt begeistern kann. Der studierte Geograph ist einer von drei hauptamtlichen Mitarbeitern, die bei Eurodesk in Bonn, der nationalen Koordinierungsstelle von Eurodesk in Deutschland, die Strippen ziehen. Ihre Mission: Möglichst alles zu kennen, was Jugendliche, junge Erwachsene und Fachkräfte in punkto Mobilitäts- und Förderprogramm-Möglichkeiten auch nur ansatzweise wissen wollen – und das über die Aktivitäten des bis 2013 gültigen EU-Förderprogramms von JUGEND IN AKTION hinaus.

Dass die Eurodesk-Crew inzwischen zu Rechercheuren erster Klasse avanciert ist, verdankt sie nicht zuletzt der netzwerkinternen Kommunikationsplattform „First Class“. Über 900 lokale Servicestellen in 29 Ländern (alle EU-Staaten außer Zypern sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) sind mittlerweile an diese immer größer werdende Informationspipeline angeschlossen. „Wir versuchen allen Anfragen gerecht zu werden, und das so schnell wie möglich“, so Annette Luthringshauser von Eurodesk Deutschland.

Neutral, kostenlos und trägerübergreifend

Ob Europäischer Freiwilligendienst (meiste Anfragen), Jobben und Arbeiten im Ausland, Sprachkurse oder Au-Pair-Aufenthalte – die Wünsche der Jugendlichen, ihrer Heimat einmal für bis zu zwölf Monaten den Rücken zu kehren, kennen keine Grenzen. Auf dem Internetportal von Eurodesk für Jugendliche liegen alle Informationen bereit. Allein 2006 hat das Mobilitätsportal rausvonzuhaus.de rund 2,5 Millionen Klicks von etwa 1,5 Millionen Nutzern verzeichnet – Tendenz steigend. Vor allem das Forum und der Last-Minute-Markt erfreuen sich wachsender Beliebtheit, hier diskutieren sich die User die Köpfe heiß. Besonders auffällig: das starke Interesse der weiblichen Jugendlichen. Im Jahr 2006 entfielen fast 74 Prozent der Beratungsanfragen von Jugendlichen auf das weibliche Geschlecht, bei den Männern waren es dagegen nur knapp 26 Prozent – Bund und Zivildienst sind eine Erklärung hierfür.

Neutral, kostenlos und trägerübergreifend - so lautet das Motto der Beratungsleistungen von Eurodesk. Neben Eurodesk Deutschland stehen dafür bundesweit 35 regionale Servicestellen, die so genannten Eurodesk-Partner, zur Verfügung. Damit die individuelle Betreuung noch besser wird, soll das regionale Netz jetzt weiter ausgebaut werden. „Wir sind noch nicht in allen Teilen des Landes gleich gut vertreten“, räumt Helm-Pleuger ein, „In Thüringen und Sachsen sind wir zwar sehr gut präsent, in Mecklenburg-Vorpommern gibt es bislang aber nur einen regionalen Partner in Wismar, im Saarland gibt es überhaupt keinen.“

Im Dreischritt: Eurodesk-Partner = regionale Servicestellen = regionale Kontaktstellen

Seit Anfang 2007 fungieren die Eurodesk-Partner auch als regionale Kontaktstellen für das EU-Programm JUGEND IN AKTION. Mit der Kooperation zwischen JUGEND für Europa und Eurodesk sollen Jugendliche und Fachkräfte vor Ort besser und direkter über das EU-Programm informiert werden – sei es über den Europäischen Freiwilligendienst, Jugendinitiativen oder über Fortbildungsangebote. Dies geschieht nicht nur über die individuelle Beratung, sondern auch mittels größerer Veranstaltungen. So organisierte JUGEND für Europa gemeinsam mit den regionalen Kontaktstellen zur Einführung des neuen Programms eine Informationskampagne mit rund 20 Veranstaltungen, in denen JUGEND IN AKTION vorgestellt wurde. Wo die lokalen Eurodesk-Partner, bzw. die regionalen Kontaktstellen sitzen und wie sie zu erreichen sind, zeigt eine Übersichtskarte auf der Seite rausvonzuhaus.de.

Eurodesk legt großen Wert auf die Service-Qualität und will seine Angebote stetig verbessern. So werden Jugendliche gebeten, nach Abschluss einer Beratung einen kurzen Feedback-Bogen auszufüllen. „Wir wollen wissen, wo wir stehen. Dafür sind wir auf die Rückmeldungen der Jugendlichen angewiesen“, so Helm-Pleuger. Dass es Grenzen bei der Vermittlung gibt, verschweigt er nicht: „Jugendaufenthalte in Krisengebieten werden von uns nicht beworben.“

Vielfältige Wünsche

Alle anderen Anfragen versucht das Bonner 3er-Team gewissenhaft zu beantworten, auch wenn es nicht immer einfach ist. „Ein Praktikum beim Dudelsackbauer in Schottland kostet nun mal Recherche“, erklärt Regina Schmieg, „da sprechen wir uns dann auch mit unseren lokalen Partnern vor Ort ab, um weiter zu kommen.“

Andere Fragen gehören zum Alltag. Helm-Pleuger weiß längst, ob Marek eine Friseurausbildung in der Türkei absolvieren oder Rebekka noch in diesem Monat unerschrocken durch Albanien reisen kann. Ungebrochen groß bleibt die Nachfrage von Jugendlichen, die nach der Schule „den armen Kindern in Afrika“ helfen möchten.

Schottische Wurzeln

Dass das Eurodesk-Netzwerk nunmehr so präsent ist, ist nicht zuletzt einer kleinen Gruppe schottischer Jugendarbeiter zu verdanken. Ende der 80er Jahre stellten sie ernüchternd fest, dass Jugendliche kaum über Zugang zu europäischen Informationen verfügten. 1990 gründeten sie daher eine erste Eurodesk-Stelle in Schottland. Schon nach kürzester Zeit erhielten die Jugendarbeiter hunderte von Anfragen – und das von überall her. Diese Nachfrage war sehr bald nicht mehr zu bewältigen – zumal es entsprechende Informationsbroschüren und Internet noch nicht gab. Als in England, Wales und Nordirland weitere Eurodesk-Partner gewonnen wurden, nahm das Vorhaben schließlich Fahrt auf. 1994 wurde Eurodesk zu einem europäischen Pilotprojekt mit nationaler Ko-Finanzierung, ein Jahr später förderte die EU-Kommission schließlich den Aufbau eines flächendeckenden Netzwerks in allen EU-Mitgliedsstaaten. Auf europäischer Ebene wird es durch das „Eurodesk European Office“ (EEO) in Brüssel koordiniert.

Bei der übersichtlichen Gliederung der Web-Angebote kommen mittlerweile auch Kurzentschlossene auf ihre Kosten. „Wer sich nicht lange mit Auslands-Planungen quälen und schon nächsten Monat an der Adria jobben möchte, sollte sich einmal mit ´Wwoofing´ (Worldwide Opportunities on Organic Farms) auseinandersetzen“, rät Helm-Pleuger. Die Mitarbeit auf ökologisch orientierten Höfen sei eine gute Möglichkeit, für wenig Geld fremde Länder und Kulturen zu erkunden.  

(Marco Heuer)

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Eurodesk Deutschland ist als Projekt bei IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. in Bonn - angesiedelt. Nähere Informationen zu den Angeboten von Eurodesk gibt es unter:

www.rausvonzuhaus.de
Mobilitätsportal, richtet sich an Jugendliche, die einen Auslandsaufenthalt anstreben

www.eurodesk.de
Informationsportal für Fachkräfte in der (internationalen) Jugendarbeit
- Informationen zu Eurodesk-Serviceleistungen sowie zu Förderprogrammen aus den Bereichen Europa, Jugend, Mobilität, Bildung, Kultur und Sport
- Sammlung von Förderorganisationen und Stiftungen in Deutschland
- Ausschreibung europäischer Jugendwettbewerbe
- Literaturtipps

www.eurodesk.eu
Europäische Website des Eurodesk-Netzwerks
- Informationsportal für Fachkräfte in der Jugendarbeit
- Umfangreiche Förderdatenbank, die in vielen europäischen Sprachen zugänglich ist

www.wwoof.de und www.wwoof.org
Möglichkeit für Jugendliche, auf ökologisch orientierten Höfen weltweit (meist 4-6 Stunden pro Tag) gegen freie Unterkunft und Verpflegungmitzuarbeiten

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