29.09.2025

Strategisch stärken: Erkenntnisse aus der Organisationsberatung zur internationalen Jugendarbeit im Rahmen des Projekts FOKUS Kompetenz

Handlungsempfehlungen für Organisationen: Ganzheitlicher Blick auf die Organisation stärkt Synergien

Wie kann internationale Jugendarbeit strategisch nachhaltig in Organisationen verankert werden? Die projektbegleitende Organisationsberatung im Rahmen der Weiterbildung FOKUS Kompetenz zeigt: Mit klaren Strategien, Unterstützung durch Leitungsebenen und gezielter Vernetzung. Julia Motta und Elena Weber schauen zurück auf den Beratungsprozess. Sie fassen zentrale Erkenntnisse aus vier Beratungsprozessen zusammen und geben praxisnahe Empfehlungen für Träger, die internationale Perspektiven in ihrer Arbeit stärken möchten.

Internationale und europäische Jugendarbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht nur als politisches Anliegen, sondern auch als praxisrelevantes Arbeitsfeld für Fachkräfte der Jugendarbeit. Um Fachkräfte gezielt auf diese Herausforderungen vorzubereiten und sie in ihrer professionellen Entwicklung zu stärken, bietet JUGEND für Europa die Weiterbildung FOKUS Kompetenz an. Ein besonderes Element der Weiterbildung ist eine projektbegleitende Organisationsberatung.

Ziel der Weiterbildung ist es, Fachkräfte in ihrer professionellen Identitätsentwicklung zu unterstützen, ihnen praxisnahes Handwerkszeug zu vermitteln und ihre Haltung sowie Kompetenzen für internationale Kontexte zu fördern. Gemeinsam mit vielen Kooperationspartner*innen deckt FOKUS Kompetenz zentrale Themenfelder der europäischen und internationalen Jugendarbeit ab – von politischer Bildung, dem sensiblen Umgang mit Diversität über die Gestaltung von Lernprozessen mit jungen Menschen bis hin zu Fragen der Projektumsetzung und Förderlogik.

Im Rahmen der Weiterbildung FOKUS Kompetenz (2023 – 2025) konnten Organisationen, die die Teilnahme ihrer Mitarbeitenden unterstützen, eine prozessbegleitende Beratung in Anspruch nehmen. Ziel dieser Organisationsberatung war es, internationale Jugendarbeit nachhaltig in den Strukturen der Einrichtungen zu verankern und strategisch weiterzuentwickeln.

Die folgenden Erkenntnisse und Empfehlungen basieren auf den Erfahrungen und Rückmeldungen aus den vier Beratungsprozessen mit den folgenden Organisationen: Jugendkulturarbeit e.V., Werkstatt für junge Menschen Eschwege e.V., bsj Marburg e.V. sowie dem Jugendwerk Stadtlohn e.V. (lesen Sie hierzu auch das ausführliche Interview mit dem Jugendwerk Stadlohn).

Finanzierung als Schlüssel zur Umsetzung

Die Sicherung finanzieller Ressourcen ist ein zentrales Element für die nachhaltige Verankerung internationaler Jugendarbeit in Organisationen. In der projektbegleitenden Beratung wurde deutlich, dass Finanzierungsfragen bei allen vier beteiligten Trägern eine zentrale Rolle spielten – sowohl im Hinblick auf konkrete Projekte als auch auf strukturelle und personelle Ressourcen. Besonders herausfordernd war dabei die mittel- und langfristige Finanzierung von Personal, das für internationale Aufgaben vorgesehen ist.

In den meisten Fällen war die Finanzierung entsprechender Stellen oder Stellenanteile nicht dauerhaft gesichert. Dies erschwert strategische Personalplanung und die Verfolgung langfristiger Ziele erheblich. Hinzu kamen häufig befristete Arbeitsverträge und eine hohe Fluktuation, die den Aufbau nachhaltiger Strukturen zusätzlich behinderten. Oft war das vorhandene Personal zudem in andere Aufgabenbereiche eingebunden, sodass eine Ausweitung internationaler Aktivitäten nur durch zusätzliche Finanzierungsquellen möglich war.

Gleichzeitig zeigten einzelne Beispiele, wie gezielte Förderstrategien neue Handlungsspielräume eröffnen können: Ein Träger konnte über einen erfolgreichen Antrag im EU-Programm JUVENTUS ein dreijähriges Projekt mit mehreren Personalstellen initiieren. Das Projekt, das im Sommer 2025 startet, ermöglicht jungen Menschen mit geringeren Chancen begleitete Praktika in Griechenland. Ein anderer Träger nutzte die Gelegenheit, die bislang getrennten Arbeitsbereiche „Internationale Bildung“ und „Politische Bildung“ stärker miteinander zu verzahnen. Dies führte zur erfolgreichen Einreichung neuer Projektanträge mit internationaler Ausrichtung im Bereich politischer Bildung.

Weitere Organisationen setzten weiterhin auf kommunale Mittel und Förderungen aus dem Kinder- und Jugendplan (KJP), planen jedoch perspektivisch eine stärkere Ausrichtung auf EU-Jugendprogramme. Erste Beratungsgespräche hierzu haben bereits stattgefunden. Dabei wurde deutlich, dass Fördermöglichkeiten stets im Kontext der jeweiligen Zielgruppen geprüft werden müssen. In einem Fall etwa war die Altersstruktur der Zielgruppe nicht mit den Anforderungen der EU-Jugendprogramme vereinbar, was bestimmte Antragsvorhaben ausschloss.

Insgesamt zeigt sich: Die Finanzierung ist nicht nur eine technische, sondern eine strategische Frage. Sie entscheidet maßgeblich darüber, ob und wie internationale Jugendarbeit in Organisationen langfristig verankert werden kann.

Hürden auf dem Weg zur Internationalisierung

Trotz des wachsenden Interesses an internationaler Jugendarbeit zeigen sich in der Praxis nach wie vor zahlreiche Hürden, die eine aktive Beteiligung erschweren. Drei der vier befragten Träger hatten bislang kaum Erfahrungen mit den EU-Jugendprogrammen gesammelt. Sie nahmen die Antrags- und Verwaltungsprozesse als stark bürokratisch und zeitintensiv wahr – ein Hemmnis, das sie bislang davon abhielt, sich intensiver mit den Programmen auseinanderzusetzen. Der Träger mit mehr Erfahrung in diesem Bereich nutzte die Programme zwar aktiv, kritisierte jedoch die unzureichende Förderung von Personalstellen und strukturellen Grundlagen. Gerade vor dem Hintergrund finanziell fragiler Vereinsstrukturen sei dies ein gravierender Schwachpunkt.

Auch auf individueller Ebene wurden Hürden deutlich: Für viele Fachkräfte stellt die Beteiligung an internationalen Projekten eine große Herausforderung dar – insbesondere, wenn es um unbekannte Prozesse wie die Organisation und Durchführung einer Jugendbegegnung geht. Fragen wie „Schaffe ich das?“ oder „Bin ich sprachlich ausreichend vorbereitet?“ spiegeln eine gewisse Unsicherheit wider, die den Einstieg erschweren kann. Sprachbarrieren, fehlende Erfahrung im internationalen Kontext und die Komplexität der Projektplanung führen häufig zu Zurückhaltung.

Im Verlauf der Beratung wurde deutlich, wie entscheidend es ist, bestehende Hürden ernst zu nehmen und gezielt abzubauen. Unterstützungsangebote wie praxisnahe Qualifizierungen, kollegiale Begleitung und Orientierungshilfen können Fachkräfte ermutigen und befähigen, sich auf internationale Projekte einzulassen. Nur wenn diese Rahmenbedingungen stimmen, lässt sich ein nachhaltiges Engagement für internationale Jugendarbeit in den Organisationen verankern.

Ein konkreter und wirkungsvoller Schritt kann dabei die Beantragung eines Job-Shadowings sein – wie es auch von einem der Träger geplant ist. So lassen sich persönliche Barrieren abbauen, indem direkte Erfahrungen im Partnerland und bei der Partnerorganisation gesammelt werden. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit auf eine tragfähigere Basis gestellt.

Anerkennung und Wertschätzung internationaler Jugendarbeit

Trotz ihres pädagogischen Potenzials und der gesellschaftlichen Relevanz erfährt internationale Jugendarbeit innerhalb vieler Institutionen noch immer nicht die Anerkennung, die ihr zusteht. In Organisationen, deren Bildungsauftrag bislang andere Schwerpunkte setzt, wird sie häufig als freiwillige Zusatzaktivität wahrgenommen – als etwas, das engagierte Fachkräfte „nebenbei“ tun, weil sie gerne reisen, persönlich Spaß daran haben und es somit nur bedingt als reguläre Arbeit anerkannt wird.

Die intensive Arbeit, die hinter der erfolgreichen Kooperation mit internationalen Partnerorganisationen, der sorgfältigen Vorbereitung und Begleitung junger Menschen sowie der aufwendigen Fördermittelakquise steckt, bleibt dabei vielfach unsichtbar. Das Engagement der Fachkräfte erfährt dadurch zu wenig Anerkennung und Wertschätzung.

Diese mangelnde Anerkennung zeigt sich nicht nur intern, sondern auch auf kommunaler und regionaler Ebene. So berichtete mindestens ein Träger von fehlender Unterstützung durch das Jobcenter, etwa wenn es darum ging, arbeitssuchende Jugendliche für Auslandspraktika (bei fortlaufender finanzieller Unterstützung) freizustellen. Auch hier wird deutlich: Internationale Jugendarbeit wird nicht immer als gleichwertiger Bestandteil der Jugendhilfe wahrgenommen.

Insgesamt bleibt die Sichtbarkeit internationaler Jugendarbeit – wie auch die der Jugendarbeit insgesamt – eine zentrale Herausforderung. Um das Engagement von Fachkräften zu stärken und internationale Angebote nachhaltig zu verankern, braucht es eine gezielte Anerkennungskultur: durch institutionelle Rückendeckung, politische Unterstützung und eine stärkere öffentliche Wahrnehmung.

Partnerstrukturen und Netzwerke als strategische Ressource

Alle im Beratungsprozess begleiteten Organisationen verfügten bereits über internationale Partnerschaften aus früheren Projekten. Diese bestehenden Kontakte erwiesen sich jedoch mitunter als wenig verbindlich und entwicklungsbedürftig. Themen wie Kommunikation, Verlässlichkeit und die gemeinsame Entwicklung langfristiger Perspektiven standen daher im Zentrum der Beratungen. Ziel war es, Wege zu identifizieren, wie Partnerschaften gestärkt und professionalisiert werden können, um tragfähige und nachhaltige Strukturen für internationale Zusammenarbeit aufzubauen.

Darüber hinaus sind die Organisationen in vielfältige Netzwerke auf lokaler, regionaler, überregionaler und internationaler Ebene eingebunden. Diese Netzwerke wurden im Rahmen der Beratung systematisch in den Blick genommen. Dabei zeigte sich, wie wertvoll es ist, potenzielle Partner gezielt zu identifizieren und ihre jeweiligen Stärken und Ressourcen für eine zukünftige Zusammenarbeit zu analysieren.

Die Möglichkeiten der Kooperation sind dabei vielfältig: Netzwerkpartner können nicht nur bei der Finanzierung unterstützen, sondern auch fachlichen Austausch ermöglichen, Projekte begleiten, Expertise zu Zielgruppen oder spezifischen Formaten einbringen, als Projektpartner fungieren oder zur politischen Interessenvertretung und Außenwahrnehmung beitragen.

Im Beratungsprozess lag der Fokus darauf, wie bestehende Netzwerke strategisch weiterentwickelt oder gezielt erweitert werden können. So sollen die Chancen für eine stärkere Internationalisierung erhöht und neue Impulse für die Projektarbeit gewonnen werden – durch stabile Partnerschaften, geteiltes Wissen und gemeinsame Visionen.

Projektvielfalt strategisch bündeln – mit realistischen Umsetzungsschritten

In vielen Organisationen der internationalen Jugendarbeit zeigt sich eine beeindruckende Vielfalt an Projekten, Formaten und Kooperationen. Diese Vielfalt ist Ausdruck von Engagement, Kreativität und fachlicher Breite – bringt jedoch auch die Herausforderung mit sich, bestehende Aktivitäten stärker miteinander zu verzahnen. Häufig sind die verschiedenen Inhalte und Formate an einzelne Fachkräfte gebunden, die mitunter isoliert voneinander arbeiten. Eine gemeinsame strategische Ausrichtung fehlt dabei oft.

In den Beratungsprozessen wurde deutlich, wie wichtig es ist, die gesamte Organisationsstruktur in den Blick zu nehmen und aus den einzelnen Projekten eine übergreifende strategische Linie für internationale Jugendarbeit zu entwickeln. Viele Arbeitsbereiche lassen sich unter gemeinsamen Leitmotiven wie „Internationalität“, „Vielfalt“, „Diversität“, „soziales Lernen“ oder „Netzwerkorientierung“ zusammenführen. Eine solche Strategie schafft Orientierung, fördert Synergien und ermöglicht es, langfristige Ziele zu verfolgen.

Gleichzeitig wurde sichtbar, dass der Arbeitsalltag der Fachkräfte – trotz Unterstützung durch die Leitungsebene – oft nur begrenzte zeitliche Ressourcen für die Umsetzung neuer Ideen bietet. Die Vielzahl an innovativen Vorhaben und Impulsen traf auf enge Kapazitäten. Um dennoch handlungsfähig zu bleiben, war es notwendig, klare Prioritäten zu setzen und strategische Ziele in realistische, schrittweise umsetzbare Etappen zu gliedern. So kann aus projektbezogenem Engagement eine nachhaltige, strategisch ausgerichtete Praxis entstehen, die sowohl wirksam als auch machbar ist.

Fazit

Die projektbegleitende Organisationsberatung hat zentrale Impulse für die strategische Weiterentwicklung internationaler Jugendarbeit in den beteiligten Organisationen gesetzt. Aus den Beratungsprozessen lassen sich folgende übergreifende Erkenntnisse ableiten.

1. Ganzheitlicher Blick auf die Organisation stärkt Synergien 

Die Beratung ermöglichte es den Trägern, über einzelne Projekte und Zuständigkeiten hinaus die gesamte Organisation in den Blick zu nehmen. Dadurch wurden bereichsübergreifende Synergien sichtbar, interne Austauschprozesse angestoßen und vielfältige Ideen entwickelt, die gemeinsam priorisiert und strukturiert werden konnten.

2. Regelmäßigkeit und externe Moderation fördern Verbindlichkeit 

Die kontinuierliche Begleitung durch externe Berater*innen – inklusive Moderation und Protokollierung – erwies sich als zentraler Erfolgsfaktor. Sie unterstützte die Träger dabei, Prozesse systematisch anzugehen, dranzubleiben und konkrete Entwicklungsschritte zu verfolgen.

3. Klare Vereinbarungen schaffen Orientierung und Verbindlichkeit 

Jedes Beratungsgespräch endete mit konkreten Vereinbarungen zu nächsten Schritten und klaren Zuständigkeiten. Diese wurden dokumentiert und vor dem nächsten Treffen reflektiert, was eine strukturierte Weiterarbeit und transparente Kommunikation ermöglichten.

4. Leitungsebene ist Motor für Veränderung 

In allen Fällen war die Geschäftsführung bzw. Leitung aktiv in den Beratungsprozess eingebunden und zeigte ein klares Interesse daran, internationale Jugendarbeit stärker im Alltagsgeschäft zu verankern. Diese Haltung wirkte sich positiv auf die gesamte Organisation aus, da sie Synergien förderte, interne Unterstützung sicherstellte, und die Bedeutung internationaler Arbeit intern sichtbar machte.

5. Haltung und Organisationskultur sind zentrale Rahmenbedingungen 

Eine wertschätzende und unterstützende Haltung der Leitung gegenüber international engagierten Fachkräften stärkte deren Motivation und Engagement. Vertrauen in die Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie eine offene Kommunikationskultur innerhalb der Teams förderten Austausch, Zusammenarbeit und die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven.

Weiterführende Impulse zur Verankerung internationaler Jugendarbeit

Im Feld der internationalen Jugendarbeit gibt es zahlreiche weiterführende Impulse und Ansätze, die dabei unterstützen können, internationale Perspektiven nachhaltig in den eigenen Organisationsstrukturen zu verankern. Da die begleitende Organisationsberatung im Rahmen der Weiterbildung FOKUS Kompetenz bewusst in einem kompakten Rahmen stattfand, empfiehlt sich für eine vertiefende Auseinandersetzung die Lektüre folgender Beiträge:

(JUGEND für Europa)