01.02.2024

Mobilität und Beteiligung erfahrbar machen: Die europäische Dimension in der Jugendarbeit ist unverzichtbar

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Seit einem Jahr leitet Frauke Muth JUGEND für Europa. Im Interview blickt sie auf ein intensives erstes Jahr als Leiterin der Nationalen Agentur zurück und schaut nach vorne: Was sind die Themen und Herausforderungen für 2024? Und wie geht es weiter mit Erasmus+ und dem Europäischen Solidaritätskorps?

JfE: Frauke, du hast vor einem Jahr die Geschäftsführung von JUGEND für Europa übernommen. Wie fühlen sich die letzten zwölf Monaten für dich an?

Frauke Muth: Ja, stimmt, das ist schon so lange her! Obwohl die Zeit tatsächlich im Fluge vergangen ist. Jetzt habe ich die meisten jährlichen Ereignisse in JUGEND für Europa einmal mitgemacht, der Alltag fühlt sich schon sehr viel routinierter an als noch vor einem Jahr.

Das letzte Jahr war schon ein Husarenritt, denn es gab einige Ereignisse, die unsere Arbeit beeinflusst haben: Der Überfall der Hamas auf Israel und der daraus resultierende Krieg in Gaza, die Kürzungen im Jugend- und Kulturbereich, die sich auf die Kapazität vieler unserer Projektträger ausgewirkt haben. Internationale Jugendarbeit könnte demnächst ein Luxus werden, den man sich erstmal leisten können muss…

Auch intern haben wir gerade einige Aufgaben, die unsere Zeit beanspruchen. Wir sind ja aus den Kinderschuhen herausgewachsen und sind mittlerweile eine 100 Personen umfassende Nationale Agentur. Da müssen wir hier und da ein paar Dinge ändern, um diesen neuen Dimensionen gerecht zu werden.

Alles in allem habe ich 2023 unglaublich viel gelernt, und vor allem die Zusammenarbeit mit vielen tollen neuen Kolleg*innen erfahren dürfen. Die Menschen hinter JUGEND für Europa sind mir der liebste Motivator.

Was war dein persönliches Highlight 2023?

Seit vielen Jahren endlich mal wieder ein ganzes Kalenderjahr im Rheinland gewesen zu sein, wo ich geboren und aufgewachsen bin.

Jetzt sind die Zeiten für die internationale Jugendarbeit nicht einfach. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie sind kaum verdaut. Die Krisenherde auf der Welt werden nicht weniger: dazu kommt eine hohe Inflation, viele Träger sind von Kürzungen bedroht, wie du bereits angemerkt hast. Entwicklungen, von denen auch die Arbeit von JUGEND für Europa betroffen ist. Wie wird die Agentur darauf reagieren?

Ja, in der Tat, es ist keine einfache Zeit. Wir machen uns Sorgen, dass aufgrund der schwindenden Kapazitäten demnächst weniger Träger europäische Fördermittel beantragen und sich ausschließlich der Arbeit vor der eigenen Tür widmen werden, in der eigenen Kommune oder Stadt.

Deshalb wollen wir an unsere Zuwendungsgeber, Partner, deutlich kommunizieren, dass Jugendarbeit und internationale / europäische Jugendarbeit nicht zwei verschiedene Dinge sind, sondern, dass sie untrennbar Hand in Hand gehen müssen.

Außerdem müssen wir als Nationale Agentur weiter dazu beitragen, die Information und Beratung zu Anträgen einfacher und klarer zu machen, Hürden für Antragsteller*innen abzubauen, damit EU-Fördergelder aus Erasmus + und dem Europäischen Solidaritätskorps auch weiterhin als Finanzierungsquelle für die wichtige Arbeit der Träger der Jugendarbeit zugänglich sind.

Bei all diesen Aktivitäten werden wir außerdem fachlich und inhaltlich noch enger mit IJAB – der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. zusammenarbeiten, die gleichzeitig unser Rechtsträger ist.

2024 wird die EU-Kommission die Zwischenevaluation der aktuellen Programmgeneration von Erasmus+ und dem Europäischen Solidaritätskorps veröffentlichen. Mit den Ergebnissen werden Weichen für die Zukunft der Programme gestellt. Warum sind die beiden EU-Jugendprogramme so wichtig?

Weil sie jungen Menschen, Fachkräften und Organisationen konkrete Werkzeuge an die Hand geben, Mobilität zu erfahren und Beteiligung am demokratischen Leben zu ermöglichen. So können zum Beispiel Initiativen zur Beteiligung an der Europawahl durch die EU-Jugendprogramme gefördert werden.

Und unsere Begleitforschung "RAY - Research-based analysis of European youth programmes" bestätigt ja immer wieder, dass die Programme wirken – gerade auch im Bereich Partizipation und Aktive Bürgerschaft junger Menschen.

RAY zeigt, dass sich sowohl die Projektverantwortlichen wie die Teilnehmenden nach dem Abschluss ihrer Projekte mehr als Europäer*in fühlen. Dass die die Wertschätzung für die kulturelle Vielfalt gestiegen ist, ebenso wie die Lust, sich weiter sozial und politisch zu engagieren.

All das brauchen wir derzeit in Europa. Die Programme sind eben auch wegen dieser positiven Wirkungen so wichtig.

Was erwartest du – wie werden sich die EU-Jugendprogramme weiterentwickeln?

Die Kommission wird in der Ausrichtung der neuen Programmperiode auf große Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz reagieren müssen. Die Antragsbewertungen müssen also anders, smarter, werden. Auch können die vielen Rückmeldungen zur hohen Komplexität der Antragsformulare, der Kriterien und Regeln sowie zur mangelnden Funktionsfähigkeit der IT-Plattformen nicht ignoriert bleiben – hier muss und wird sich etwas tun.

Dazu und zu vielen anderen Aspekten haben wir der Kommission bereits Rückmeldung gegeben und werden es formal in unserem Evaluierungsbericht zur Halbzeit der Programmperiode tun.

Zwei große Veranstaltungen werfen ihre Schatten voraus. Im September 2024 wird sich JUGEND für Europa am Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit in Potsdam beteiligen. Und vor kurzem hast du mit der AGJ eine Kooperationsvereinbarung zum nächsten Deutschen Jugendhilfetag 2025 geschlossen. Unter dem Dach Europe@DJHT wird es einen Marktplatz Europa geben sowie ein europäisches Besucher*innenprogramm. Was genau ist hier geplant?

Das werden zwei wichtige Veranstaltungen. Wir wollen niedrigschwellig und konkret zu unseren Programmen informieren. Ein wichtiger Angelpunkt beim DJHT wird sein, den Gedanken der internationalen Dimension von Jugendarbeit zu stärken. Dabei bin ich sehr froh, dass wir bei beiden Veranstaltungen eng mit unserem Partner und Rechtsträger IJAB zusammenarbeiten.

Merken Sie sich beide Termine also ruhig schon einmal vor: Vom 16. bis zum 18. September 2024 wird der Bundeskongress stattfinden und für den DJHT können Sie sich die Tage 13. bis 15. Mai 2025 im Kalender markieren.

Wir werden Sie über unsere Kanäle rechtzeitig mit allen weiteren Informationen zu den beiden großen Veranstaltungen versorgen.

Worauf freust du dich im kommenden Jahr besonders?

Darauf, die vielen Pläne und Ideen von JUGEND für Europa in der hoffentlich erfolgreichen Umsetzung zu sehen!

Liebe Frauke, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!