10.01.2024

“Was wir voneinander lernen, können und müssen wir weitergeben”: Mit Small-scale partnerships den fachlichen Austausch in Europa stärken

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Das Projekt “Mental Health of Youth in the post Corona time” gehört zu den ersten Projekten, die als Small-scale partnership im Rahmen von Erasmus+ Jugend gefördert wurden. Christine Schubart, Projektkoordinatorin für den Sozialkritischen Arbeitskreis Darmstadt e. V. (SKA e. V.) erläutert im Interview, wie das Projekt entstanden ist und warum es so wertvoll für die fünf beteiligten Organisationen war.

Das Förderformat “Small-scale partnerships” ermöglicht Organisationen seit 2021 im Rahmen von Erasmus+ Jugend internationale Partnerschaften aufzubauen. Bereits ab zwei Organisationen und einer Projektdauer von sechs Monaten können Projekte gefördert werden. Das Ziel: Einen niedrigschwelligen Rahmen für den fachlichen Austausch europaweit schaffen.

JfE: Wie ist das Projekt “Mental Health of Youth in the post Corona time” entstanden?

Christine Schubart: Die Idee ist bei einem Planungstreffen des YES-Forums entstanden – ein europäisches Netzwerk von Organisationen, die mit und für junge Menschen mit geringeren Chancen arbeiten. Dort habe ich Kolleg*innen kennengelernt, die sich mit den Themen mentaler Gesundheit und Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Jugendarbeiter*innen und junge Menschen beschäftigt haben.

Wir teilten die Beobachtung, dass die Fachkräfte z.T. nicht ausgerüstet waren und sind, um mit den psychischen Folgen der Pandemie bei jungen Menschen umzugehen. Während der Pandemie mussten viele Fachkräfte ad-hoc reagieren, die Arbeitsbelastung ist im Grunde wöchentlich gestiegen und die präventive Arbeit ist in den Hintergrund gerückt.

Wir haben daraufhin beschlossen ein gemeinsames Projekt einzureichen und haben innerhalb von wenigen Wochen das Konzept auf die Beine gestellt.

Bestand bereits vor dem Projekt Kontakt zu den Partnerorganisationen?

Das Projektteam bestand zum einen aus Organisationen, die sich sehr gut kannten und zum anderen aus neuen Organisationen. So hatten wir eine gute und solide Grundlage. Alle Partner waren von Anfang an mit viel Engagement dabei.

Welche Ziele haben Sie mit dem Projekt verfolgt? 

Mit dem Projekt wollten wir den Partnerorganisationen ein Verständnis für die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit junger Menschen auf internationaler Ebene vermitteln. Uns ging es in erster Linie darum, ein Forum für den Austausch bewährter Praktiken im Umgang mit der psychischen Gesundheit junger Menschen sowie ein Unterstützungsnetzwerk für Jugendarbeiter*innen zu etablieren.

Darüber hinaus war es auch Ziel, ein Netzwerk aufzubauen, aus dem künftige Kooperationen, z. B. eine Kooperationspartnerschaft im Rahmen von Erasmus+ Jugend, gebildet werden können.

Welche Aktivitäten wurden im Rahmen des Projekts durchgeführt?

Auf regionaler/lokaler Ebene haben die Partnerorganisationen Workshops für Jugendarbeiter*innen durchgeführt. Dabei haben sie ihre Erfahrungen und Best-Practice-Lösungen ausgetauscht.

Es gab überdies zwei internationale Workshops, um die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den regionalen Workshops zusammenzutragen und mit Inputs von Fachexpert*innen aus der Psychologie zu bereichern. Anschließend trafen sich die Partnerorganisationen, um Wege zur weiteren Umsetzung der gemeinsamen bewährten Praktiken zu entwickeln.

Für die Projektkoordination haben wir monatliche Online-Meetings organisiert sowie eine Online-Plattform zum Austausch von Dokumenten und Vorlagen genutzt.

Wir haben zum Projektende ein kleines Methoden-PDF erstellt, das im finalen Dokumentations-Padlet über das Projektende hinaus zur Verfügung steht und auf welches wir bei vielen Gelegenheiten verweisen. Ein Output im Sinne der ehemaligen Strategischen Partnerschaften wird bei Small-scale partnerships nicht vorausgesetzt. Ich halte es jedoch für wichtig das Projekt und etwaige Ergebnisse zu dokumentieren und zu verbreiten.

Was nehmen Sie aus diesem Projekt mit?

Ich nehme tolle neue Kontakte mit. Ich habe außerdem viel Erfahrung im Projektmanagement im interkulturellen Umfeld sammeln können - mehr Gelassenheit und ein kritisches Hinterfragen meiner Vorgehensweisen waren dabei wertvolle Erkenntnisse.

Das Projekt war in jedem Fall ein Gewinn für alle. Unsere Organisationen wurden im Miteinander gestärkt und neue Kontakte geknüpft. Die Fachkräfte wurden in ihrem Handlungsrepertoire sowohl durch die Workshops gestärkt, indem sie neue Methoden erfahren und ausprobieren konnten. Diese finden eine direkte Anwendung in der Arbeit mit jungen Menschen. Ferner werden die beteiligten Fachkräfte zu Multiplikator*innen.

Was würden Sie andere Organisationen empfehlen die Small-scale Partnerships beantragen möchten? 

Aus meiner Sicht ist es nicht erforderlich, dass sich alle Partner vorab kennen. Es ist dennoch wichtig, dass sich einzelne Organisationen aus einem Konsortium kennen, um eine Vertrauensgrundlage zu bilden - schließlich werden bei den Projekten Mittel aus Steuereinnahmen verwendet und man muss darauf vertrauen können, dass die Partner gut mit diesen Mitteln umgehen.

Überdies empfehle ich folgendes:

  • Auf der Erasmus+ Results Platform nachlesen, welche Projekte gefördert werden und wurden – es gibt Anhaltspunkte für Themen und / oder mögliche Partnerorganisationen,
  • Facebook nutzen, um Kontakte zu knüpfen,
  • Sein eigenes erweitertes Netzwerk pflegen und ansprechen,
  • Frühzeitig mit der Konzeption und Planung eines Projekts beginnen,
  • Als Partnerorganisation anfangen, bevor man für seine Organisation den Lead ins Auge fasst.

Ich selbst bin vor knapp sechs Jahren über das Netzwerk der Diakonie Deutschland auf Erasmus+ gestoßen.  Daraufhin habe ich ein erstes Projekt mit Partnerorganisationen angestoßen, entwickelt und erfolgreich beantragt. So bekam ich dann auch Kontakt zum Netzwerk des YES-Forums und habe damit Zugang zu anderen europäischen Organisationen erhalten.

Welchen Mehrwert und welche Unterstützung bieten Erasmus+ und das Förderformat Small-scale Partnerships?

Grundsätzlich finde ich, dass wir raus müssen aus unserer Blase (in Deutschland) und das geht nur, wenn wir neue Erfahrungen machen. Solche Projekte sind ein Zugewinn an Kompetenzen – für einen selbst und für die Organisation. Auch im Kontext von Migration macht es sehr viel aus, zu erfahren, wie Kolleg*innen in anderen europäischen Ländern Dinge behandeln. Erasmus+ Projekte sind eine Art Dauertraining mit Praxis- und Austauscheinheiten, vermitteln Wissen, was sie an keiner Universität lernen können und auch nicht im pädagogischen Alltag, der ja häufig doch sehr reglementiert ist.

Europa, wie wir es heute kennen, ist ein hohes Gut und lebt Demokratie über Grenzen hinweg vor. Das sind wichtige Erfahrungen, die wir alle wieder zurücktragen können. Erasmus+ Projekte sind für mich auch immer wieder positive Lernerfahrungen mit Blick auf die Demokratie - wie fragil Demokratien sind, sehen wir leider auch in vielen Ländern. Auch hier in Deutschland ist Demokratie keine Selbstverständlichkeit.

Was wir voneinander lernen, können und müssen wir weitergeben.

Ich bin ein Fan vom Format Small Scale: Es bietet eine sehr gute Möglichkeit, in die europäische Projektarbeit einzusteigen und es ist ein wunderbares Format, um sich einem Thema in kurzer Zeit anzunähern. Ich kann dieses Format absolut weiterempfehlen.

Wie geht es nun weiter mit der Partnerschaft? 

Aktuell treffen wir uns ca. alle sechs Wochen, um über ein Folgeprojekt und die möglichen Inhalte zu beraten. Da treffen sehr unterschiedliche Ideen aufeinander und die gilt es nun, projektfähig zu machen. Weiterhin nutzen wir alle möglichen internationalen Treffen, um anzuknüpfen.

Liebe Frau Schubart, wir danken für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen gutes Gelingen bei Ihren weiteren Projekten.