22.09.2022

Engagementtag von JUGEND für Europa: In Deutschland ins Engagement kommen

Speaker*innen des Engagementtags von JUGEND für EuropaSpeaker*innen des EngagementtagsNach dem Freiwilligendienst in Europa ist vor dem Engagement in der Heimat: Der zweite Tag des comeback 2022 stand ganz im Zeichen von Engagement und der Frage "Wie geht es nun weiter?" und stand jungen Menschen aus ganz Deutschland offen. Neben persönlichen Einblicken von vier Speaker*innen, wie sie ihren "Weg ins Engagement" gefunden haben, gaben 14 Organisationen auf der Engagementbörse in Workshops Antworten darauf, wie Mitgestaltung bei ihnen funktioniert.

Knapp die Hälfte der teilnehmenden jungen Menschen des comeback 2022 (Bericht comeback, Tag eins) sind bereits ehrenamtlich aktiv – das zeigte eine Blitzumfrage zu Beginn des Engagementtags. Ob in der Heimat in einem Verein, selbstorganisiert oder für ein Projekt im Ausland: Rund 28,8 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich in ihrer Freizeit.

Wer hingegen noch auf der Suche nach einem passenden Projekt war oder mehr über Möglichkeiten und zu Anlaufstellen erfahren wollte, dem konnte der erste digitale Engagementtag von JUGEND für Europa, der Nationalen Agentur für Erasmus+ Jugend und das Europäische Solidaritätskorps, weiterhelfen.

Beim Thema Engagement alle mitnehmen

„Wir hatten die Idee, die Leute, die sich schon engagiert haben mit ihren Erfahrungen mit denen zusammen zu bringen, die noch nicht aktiv sind oder das ausbauen wollen“, sagt Manfred von Hebel, stellvertretender Leiter von JUGEND für Europa, nach der Begrüßung durch Moderatorin Jil Blume-Amosu.

Wichtig sei der Nationalen Agentur, dass die verschiedenen Formate in den Programmen Erasmus+ Jugend und dem Europäischen Solidaritätskorps (ESK) nicht nur für junge Menschen, sondern auch von jungen Menschen gestaltet, konzeptioniert und umgesetzt werden. Sein Wunsch sei daher, dass der Tag Motivation vermittele, das Engagement weiterzutragen und, dass es auch im politischen Sinn als „sich einmischen“ begriffen werde, betonte von Hebel.

Dafür plädierte auch die 24-jährige Bundestagsabgeordnete Emilia Fester (Grüne), die per Video-Botschaft von ihrem Weg in die Politik berichtete. Besonders wichtig sei ihr, dass alle jungen Menschen – unabhängig von ihrem Elternhaus – in die Lage versetzt werden, sich zu engagieren.

Katarina Peranić aus dem Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt betonte in ihrem Grußwort, dass die noch recht junge Stiftung Anlaufstelle bei Fragen und Unterstützungsbedarf im Bereich bürgerschaftliches Engagement sei. „Wenn alle Ehrenamtlichen in Deutschland eine Woche streiken würden, wäre das ziemlich schlimm“, sagte Peranić und verwies darauf, dass sich das ehrenamtliche Engagement in der Bundesrepublik auf 600.000 Vereine und 20.000 Stiftungen erstrecke.

Stärkster Bereich sei dabei die Sportlandschaft, gefolgt von den Bereichen Kultur und Musik. Es zeige sich aber auch, dass die Zeit, die in bürgerschaftliches Engagement gesteckt werde, mit der Zeit etwas abnehme – das Engagement verändere sich, je nach Lebenslage, immer wieder, berichtete Peranić.

Junge Menschen berichten von ihrem Weg ins Engagement

Unter den schier unendlichen Möglichkeiten das passende Angebot zu finden, ist eine Herausforderung. Dass dies oft auch ein Prozess ist, berichtete Europa-Aktivistin Katja Sinko (The European Movement): „Ich war in meiner Schulzeit nicht so politisch. Erst nach einem Jahr in Schweden in der 10. Klasse habe ich gemerkt, dass viele Entscheidungen der EU uns alle im Alltag betreffen und, dass junge Menschen viel zu selten gehört werden“, berichtet sie. In ihrer Studienzeit und vor allem nach dem Brexit begann sie Demonstrationen wie den „March for Europe“ zu organisieren, sich Verbündete zu suchen, die Lust hatten, sich einzubringen – und dadurch entstand eine immer größere Reichweite. „Es braucht nicht viel außer eine Idee, um anzufangen aktiv zu werden“, machte sie den Jugendlichen Mut.

Auch Philipp Hill (Engagement macht stark) berichtete: „Ich wusste nicht sofort, wo ich mich engagieren kann. Ich habe eine Weile gesucht, bis ich etwas gefunden habe, wo ich nicht ausgegrenzt wurde – dazwischen war ich immer wieder auch in Gruppen, in denen es nicht funktioniert hat“, erzählt er. Es sei ein gesellschaftlicher Irrglaube, dass man sich allein durch das Leben schlagen muss und nur dann erfolgreich ist, wenn man etwas allein geschafft hat, betonte Philipp. Er ist selbst sehbehindert und will erreichen, dass sich mehr Menschen mit Behinderung engagieren können. Inklusion beginne für ihn dort, wo möglichst viele Menschen gehört werden und dort, wo wir in einer Gruppe etwas erreichen, was wir allein nicht geschafft hätten.

Dass das Thema Umwelt und Naturschutz brennend ist, berichtete Felix Dittes vom Urban Gardening-Projekt Kollektiv Jardin e.V. in Nürnberg-Fürth: „Wir haben oft Kinder da, die noch nie im Wald waren“, sagt er. Ihnen zu zeigen, wie der Jahreskreislauf und die Phasen des Wachstums und Sterbens ablaufen, sei wichtig. Ein weiteres Plus: In einem solchen Projekt könne man gleichzeitig seine Stadt mitgestalten.

Sich zu engagieren, sei nach ihrem eigenen Freiwilligendienst ein Teil ihres Alltags geworden, berichtete auch Emma Wolff. Ob bei den EuroPeers, bei EuroYouth oder in der Leitung einzelner Workcamps: „Es geht darum, gemeinsam etwas bewegen zu können, mit und für andere Menschen. In Europa und darüber hinaus“, sagt sie.

Engagementbörse: Möglichkeiten für zukünftiges Engagement

14 Organisationen und Vereine aus den Bereichen Umweltschutz, soziales Engagement, Demokratieförderung, Inklusion und Anti-Diskriminierungsarbeit stellten ihre Angebote nachmittags bei der Engagementbörse vor.

Franziska Dienst und Larry Boateng von den Special Olympics World Games Berlin 2023 stellten die weltweit größte inklusive Sportveranstaltung vor: Im Juni 2023 kommen erstmals tausende Athlet*innen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in Berlin zusammen, die in 26 Sportarten antreten.

„Die Idee dahinter ist, ein Fest des Sports für mehr Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung auszurichten“, erklärt Dienst. Das Unsichtbare solle sichtbar werden und es müsse deutlich werden, dass Barrierefreiheit notwendig ist. Damit die Veranstaltung mit den etwa 7.000 Athlet*innen und über 300.000 Zuschauer*innen gelinge, seien allerdings bis zu 20.000 Freiwillige nötig.

Mitmachen kann, wer älter als 16 Jahre ist und mindestens fünf Tage Zeit hat. Besonders sei, dass es Tandem-Teams bestehend aus einer*m Freiwilligen mit und einer*m Freiwilligen ohne Behinderung gebe, die Aufgaben zusammen erledigen.

Verwenden statt Verschwenden

Dass Engagement sowohl längerfristig als auch flexibel punktuell möglich ist, erklärte Caroline Sönnichsen vom Verein Foodsharing Bonn. Sie ist seit sieben Jahre aktiv im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung – sowohl durch Lebensmittel retten als auch durch Aufklärung, um den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Immer wieder ist sie entsetzt darüber, dass ein Drittel aller produzierten Lebensmittel in die Tonne wandern – in Deutschland allein jährlich 75 Kilo pro Kopf. Die größten Verursacher dabei seien mit Abstand die privaten Haushalte, erfahren die überraschten Teilnehmenden.

Schuld seien oft eine schlechte Einkaufsplanung, Missverständnisse das Mindesthaltbarkeitsdatum betreffend, falsche Lagerung und zu große Portionen. „Essensretter zu sein, das ist ganz einfach“, warb sie. Der Einstieg sei durch das Herzblut vieler Ehrenamtlicher mittlerweile sehr einfach geworden: Überall in Deutschland gebe es Bezirke, bei denen man sich online melden könne. „Lebensmittel werden immer teurer werden. Zu retten gibt es viel und umso mehr angemeldet sind, desto mehr politischer Druck entsteht“, lud sie alle ein, aktiv zu werden.

Die Blitzumfrage am Ende des Engagementtags zeigte, dass die Erfahrungsberichte der vier Speaker*innen und die Workshops der Engagementbörse für reichlich Inspiration und Motivation gesorgt haben: Am längsten wuchs der Umfragebalken bei der Antwortoption „Ich habe Lust bekommen, mich mehr ehrenamtlich zu engagieren“.

(Lisa Brüßler im Auftrag von JUGEND für Europa)