29.06.2018

Zukunft von Erasmus+: Der Vorschlag der EU-Kommission ist eine solide Verhandlungsbasis

Mehr Inklusion, mehr Teilhabe, mehr Flexibilität: Neben der Budgetsteigerung standen einige inhaltliche Aspekte des Programmvorschlags auf dem Prüfstand beim ersten sektorübergreifenden Austausch zur Zukunft des Programms am 18. Juni 2018 in Brüssel

Die etwa 200 europäischen Teilnehmer, darunter Vertreter aus den Mitgliedstaaten, aus der EU-Kommission, dem EU-Parlament und dem Bundestag sowie Vertreter der Zivilgesellschaft hatten Gelegenheit, sich mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur künftigen Programmgeneration auseinanderzusetzen und erste Rückmeldungen der unterschiedlichen Programmbereiche auszutauschen. etwa aus ganz Europa.

Die EU-Kommission hatte am 30.05.18 ihren Vorschlag für das Nachfolgeprogramm von Erasmus+ vorgelegt. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), der Kultusminister Konferenz, den Nationalen Agenturen für die Umsetzung von Erasmus+ in Deutschland sowie der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der Europäischen Union (StäV) bot das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der Veranstaltung einen geeigneten Ausgangspunkt, um den Vorschlag auf europäischer Ebene zu diskutieren ein. Nach einer Keynote von Themis Christophidou, Generaldirektorin für den Bereich Bildung, Jugend, Sport und Kultur (DG EAC) in der Kommission wurde der Vorschlag in drei Panels und fünf Break Out Sessions diskutiert.

Insgesamt waren die Stakeholder mit dem Vorschlag der EU-Kommission zufrieden und hielten ihn für eine gute Verhandlungsbasis. Der politische Wille und die große Beliebtheit, der sich das Programm erfreut, wurden einstimmig begrüßt. So sagte Marcelis J. Boerbooom vom niederländischen Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft: „Unsere Regierung ist zwar gegen eine übergreifende Erhöhung des EU-Budgets, wir begrüßen dennoch den Willen mehr in die Bildung mit Erasmus zu investieren“. Auch die deutschen Vertreter/-innen zeigten sich mit dem Vorschlag zufrieden, nicht ohne jedoch ein paar Diskussionspunkte und offene Fragen anzusprechen.

Evolution statt Revolution

Sowohl Themis Christophidou als auch ihre Mitarbeiter, die an den Break Out Sessions teilnahmen, wiederholten im Laufe des Tages, dass der Vorschlag, im Unterschied zu 2014, keine Revolution mit sich bringt. So werden vor allem Verbesserungen, Optimierungen und ein paar wenige neue Formate eingebracht.

Im neuen Programm ist der Jugendbereich weiterhin mit einem eigenen Kapitel und einer getrennten Budgetlinie vertreten. Dem Jugendbereich werden weiterhin 10% des Gesamtbudgets zugesprochen. Bedenkt man außerdem, dass es neben dem Jugendteil von Erasmus künftig mit dem Europäischen Solidaritätskorps ein weiteres Programm geben wird, steht der nicht-formalen und informellen Bildung insgesamt mehr Geld zur Verfügung als je zuvor, so die EU-Kommission.

Das künftige Erasmus-Programm soll entschieden für mehr Inklusion sorgen, indem z.B. die Förderungen für Projekte mit jungen Menschen mit erhöhtem Förderbedarf erhöht werden und der Zugang für Organisationen und Einrichtungen, die mit entsprechenden Zielgruppen arbeiten, erleichtert werden. Auch soll das Programm künftig mehr Partizipation von Jugendlichen fördern, indem neue Formate, mit engerem Bezug zu politischen Prozessen oder mit mehr Gestaltungsspielraum angeboten werden. Insgesamt soll das Programm mehr Flexibilität bieten um diversere und breitere Zielgruppen zu erreichen sowie kleinere Organisationen und Träger zu beteiligen.

Für die nicht-formale Bildung und den Jugendbereich ist der Vorschlag und der Moment von besonderer Bedeutung, denn er wurde zeitnah nach dem Vorschlag für die neue EU-Jugendstrategie veröffentlicht. Noch nie waren Jugendpolitik und Programm so eng verzahnt. Die nicht-formale Bildung genoss auch selten so viel Aufmerksamkeit. Mit den Vorschlägen für die EU-Jugendstrategie, Erasmus und das Europäische Solidaritätskorps gibt es eine Gelegenheit für den Jugendbereich mehr Sichtbarkeit und Anerkennung zu erlangen.

Neuerungen mit Fragezeichen

Ist der Vorschlag zwar insgesamt positiv zu bewerten, bleiben dennoch eine Reihe von Fragen offen. So sorgte das Verschwinden des „+“ im Programmnamen u.a. im Jugendbereich für Skepsis. Das Bildungsprogramm „Erasmus“ wird nach wie vor stark mit der Mobilität von Studierenden assoziiert, verschwindet das „+“, nimmt der Verlust der Sichtbarkeit der weiteren Bildungsbereichen weiter zu, so die Befürchtung. Hier wurde die EU-Kommission ausdrücklich gebeten, mehr für die anderen Bereiche zu werben.

Susanne Burger, Leiterin der Unterabteilung „Europa“ beim BMBF sowie Uwe Finke-Timpe, Leiter des Referats „Europäische und internationale Jugendpolitik“ beim BMFSFJ wiesen darauf hin, dass es, trotz der vorgesehenen signifikanten Erhöhung der Mittel, eine Diskrepanz zwischen den ehrgeizigen und vielfältigen Zielen des Programms und dem vorgesehenen Budget gibt. Susanne Burger sprach sich für eine stärkere Fokussierung aus. Uwe Finke-Timpe warnte vor einem budgetären Rückschlag beim Start des Programms. Dieser Umstand könnte Träger und Organisationen, die ohnehin wegen der zu hohen Ablehnungsquote mangels Budget skeptisch sind, weiter von einer Programmnutzung abschrecken.

Nicht zuletzt wurde der vorgeschlagene Aktionsbereiche „#DiscoverEU“ stark diskutiert. Dr. Stefan Kaufmann, Bundestagabgeordneter sowie Andrea Casamenti, Vorstandsmitglied des Europäischen Jugendforums, bezweifelten den Mehrwert dieses Formats. Die pädagogische Dimension und der Bildungscharakter, die eine Verortung im größten Bildungsprogramm der EU begründen sollte fehlen bislang. Die EU-Kommission wurde eingeladen, in Zusammenarbeit mit den Stakeholdern den pädagogischen und europäischen Mehrwert heraus zu arbeiten.

(JUGEND für Europa)

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