21.11.2013

Erasmus+ für Jugendpolitik und Jugendhilfe: Neue Chancen und Herausforderungen

Was verändert sich mit Erasmus+? 200 Teilnehmer waren nach Dresden gekommen, um auf der von JUGEND für Europa organisierten Informationsveranstaltung zu erfahren, wie die alten EU-Programme JUGEND IN AKTION, ERASMUS, COMENIUS, LEONARDO DA VINCI und GRUNDTVIG zukünftig unter Erasmus+ funktionieren.

Erasmus+ wird in Deutschland von vier nationalen Agenturen umgesetzt: Von JUGEND für Europa (JfE), von der Nationalen Agentur "Bildung für Europa" beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), von der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und von der Nationalen Agentur für EU-Programme im Schulbereich im Pädagogischen Austauschdienst (PAD).

Dem neuen EU-Programm für Bildung, Jugend und Sport wollen alle vier gemeinsam zum Erfolg verhelfen. 14,7 Milliarden Euro für Erasmus+ bis 2020 (40 Prozent mehr Gesamtbudget als alle Vorgängerprogramme zusammen besaßen) verpflichtet schließlich. Dabei soll die Eigenständigkeit der vier Agenturen aber bewahrt bleiben. "Wir haben Kontinuität mit vier Agenturen und freuen uns, dass die Jugend im neuen Programm dabei ist", sagte Thomas Spielkamp vom PAD. "Die Verantwortlichen aus diesem Bereich haben das toll mit der Politik verhandelt. Die Jugend hat eine starke Lobby. Damit hätte ich so nicht gerechnet."

Jugendarbeit und Jugendpolitik profitieren

Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, nannte das neue Programm einen jugendpolitischen Fortschritt und sprach von der großen Chance, das nicht formale und informelle Lernen mit dem Programmstart 2014 in einen größeren bildungspolitischen Kontext stellen zu können. "Die Strategischen Partnerschaften sind für uns komplettes Neuland, aber auch eine Chance. Wir wollen ja längerfristige Konzepte für Innovationen. Ich freue mich auf diese Herausforderung." Eurodesk, Youthpass, Salto – all das bliebe glücklicherweise erhalten, ebenso der Fokus auf benachteiligte Jugendliche.

ÜBeeindruckend sei, dass das Budget für nicht formales und informelles Lernen ja um 70% Prozent gestiegen ist. Bedauerlich dagegen, so Wicke, dass Jugendinitiativen künftig nur noch international durchgeführt werden könnten und der Name "JUGEND IN AKTION" als Marke hinter Erasmus+ etwas verschwinde. Auch für Antragsteller aus dem Jugendbereich werde es – trotz künftiger Pauschalen für Reisekosten – möglicherweise nicht einfacher, sich im Programmdschungel zurechtzufinden.

Eingewöhnungszeit

Wo künftig der Antrag gestellt wird, entscheidet vor allem der thematische Schwerpunkt (berufliche Bildung, allgemeine Erwachsenenbildung, Hochschulbildung, nicht formale und informelle Bildung im Jugendbereich). Überschneidungen sind realistisch und vorprogrammiert. Einen Online-Navigator, wie ihn sich so mancher Teilnehmer im Publikum wünschte, wird es geben, allerdings nicht zum 01.01.2014.

"Natürlich müssen wir uns an die neue Struktur von Eramus+ erst gewöhnen", sagte Ronja Lindenberg von der Europäischen Akademie Otzenhausen. Es sei aber erfreulich, dass die Anträge weiterhin dezentral über die Agenturen verwaltet würden und die Ansprechpartner erhalten blieben.

Als Studienleiterin im Ressort Europa verspricht sie sich vor allem von der angestrebten sektorübergreifenden Arbeit neue Projekte und Impulse für ihr Haus. Ärgerlich sei dagegen, dass Vorbereitungstreffen im neuen Programm nicht mehr vorgesehen sind. "Das wird dann vor allem für die Kooperationspartner schwierig, die zum ersten Mal gemeinsam Projekte durchführen wollen", so Lindenberg.

Mehr Effizienz und Effektivität

Im Jugendbereich wird künftig noch stärker auf Effizienz und Effektivität gesetzt. Gefördert wird nur noch, was einen klaren europäischen Mehrwert beinhaltet. Die Wirkung auf Individuen, Organisationen und Systeme soll stärker im Mittelpunkt stehen. Synergien und eine sektorübergreifende Zusammenarbeit werden ebenso angestrebt wie eine hohe Sichtbarkeit sowie ein stärkerer Fokus auf die Qualität der Bildungs- und Mobilitätsangebote.

Doch auch für die anderen Agenturen (BIBB, PAD und DAAD) bedeutet das neue Programm Bereitschaft zur Veränderung.

Beispiel Schulbildung

Hier wird künftig nur noch nach dem so genannten institutionellen Ansatz gefördert. "Eine Schule muss sich überlegen: Wohin will sie sich als gesamte Einrichtung in Zukunft entwickeln?", erklärte Thomas Spielkamp vom PAD. "Ich finde das gut, hoffe aber auch, dass sich gerade kleine Schulen jetzt nicht abgeschreckt fühlen."

Franz Bittner, Studiendirektor a.D. und 15 Jahre lang als Comenius-Moderator in Rheinland-Pfalz unterwegs, sieht in Erasmus+ große Chancen. "Ich begrüße, dass das neue Programm besondere Anstöße für die Zusammenführung formaler (Schule) und nicht formaler Bildung (Jugendarbeit) gibt. Damit wird gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen."

Beispiel Berufliche Aus- und Weiterbildung

Hier wird die Mobilität von Bildungspersonal zu Lehr- und Lernzwecken künftig stärker gefördert, ebenso rückt die Konzentration auf politisch prioritäre Bereiche wie "Work Based Learning", Attraktivität und Durchlässigkeit in den Mittelpunkt. Doch Eramus+ hat auch in der beruflichen Aus- und Weiterbildung gespart. "Früher wurden Fachkräfte über LEONARDO DA VINCI gefördert. Das fällt jetzt aus. Leider springt kein anderes Programm ein", kritisiert Ivana Purath, Mobilitätsberaterin in der Handwerkskammer Dresden.

Beispiel Hochschulbildung

Hier werden die Mobilitätsangebote des alten ERASMUS-Programms erweitert: Bachelor-, Master- und PhD-Studenten können so mehrfach innerhalb und außerhalb Europas gefördert werden. "Es klingt zwar ein bisschen nach mehr als es ist", erklärte Beate Körner vom DAAD, aber immerhin: "Ein kleines Fenster zur Welt haben wir dazu bekommen."

Wunsch nach Vernetzung

Ob JUGEND für Europa, BIBB, PAD oder DAAD – alle Agenturen waren sich darin einig, dass das neue Programm gute Chancen zur (stärkeren) Zusammenarbeit biete. "Wir müssen Europa als gemeinsamen Lebensraum sehen", mahnte Klaus Fahle vom BIBB. "Am Ende sind vor allem die Ergebnisse interessant und nicht, wer für sie zuständig ist." Fahle sprach sich dafür aus, den aktuellen Bildungsbegriff nicht immer mit der Beschäftigungsfähigkeit (employability) gleichzusetzen. "Bildung ist viel mehr, das muss auch mancher Politiker endlich mal begreifen."

JfE-Leiter Hans-Georg Wicke zeigte sich optimistisch, dass die derzeitige Ablehnungsquote von durchschnittlich 30 Prozent der Anträge in der Nationalagentur durch Erasmus+ entschärft werde. Überhaupt lobte er die Chance, sich jetzt ganz neu zu vernetzen. "Ein alter Kollege hatte mir mal gesagt, dass die vier Agenturen niemals eine Veranstaltung zusammendurchführen würden. So kann man sich irren", schmunzelte Wicke.

Im Internet soll es bald eine gemeinsame deutschsprachige Erasmus+-Portalseite geben. Für die Antragsteller ist der 17. März 2014 das erste wichtige Datum. Zu diesem Datum sollen die ersten Anträge für die erste Förderlinie (Lernmobilität von Einzelpersonen) bei den zuständigen Agenturen eingereicht werden können.

(Marco Heuer im Auftrag von JUGEND für Europa)

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Das EU-Parlament hat am 19.11.2013 das Programm Erasmus+ offiziell verabschiedet, so dass es zum 01.01.2014 starten kann. Das englischsprachige Programmhandbuch zu Erasmus+ wird voraussichtlich Mitte Dezember von der EU-Kommission veröffentlicht. Eine deutsche Version wird voraussichtlich im Februar 2014 verfügbar sein.

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