16.02.2012

Neue Planspiele zur Europäischen Bürgerschaft – das Ziel: vor allem niedrigschwellige Angebote

"Eurotopia", "Europa sucht den Super-Europäer", "Haus der europäischen Geschichte" – so heißen drei der fünf neuen Planspiele zur Europäischen Bürgerschaft. Für interessierte Multiplikatoren stellt JUGEND für Europa die kompletten Materialien – auch auf Englisch – auf seiner Internetseite zur Verfügung.

Marco Heuer sprach mit Philipp Erbslöh über die Konzeption der neuen Simulationen, die er zusammen mit seiner Kollegin Andrea Gebhardt entwickelt hat.

JfE: Philipp, Ihr habt fünf neue Planspiele zur Europäischen Bürgerschaft entwickelt. Was war dabei die besondere Kraftanstrengung?

Philipp Erbslöh: Die Herausforderung lag sicherlich darin, den vielfältigen Nutzern des Programms JUGEND IN AKTION gerecht zu werden: von multilingualen Gruppen mit benachteiligten Jugendlichen bis hin zu erfahrenen Multiplikatoren in der politischen Jugendarbeit. Das erfordert eigentlich weniger Kraft als Einfühlungsvermögen in die unterschiedlichen Settings. Das ist eine Herausforderung.

Es macht aber Spaß, sich zu überlegen, wie man mit den Spielen, die Lust der Teilnehmenden am Gestaltungswillen steigern kann – unabhängig vom kognitivem Vorstellungsvermögen, was Europa ist oder sein kann.  

JfE: Inwiefern unterscheiden sich die einzelnen Planspiele?

Philipp Erbslöh: Die fünf Simulationen können in drei unterschiedliche Bereiche eingeteilt werden. Zum einen ist da ein eher klassisches Planspiel, in dem der Beitritt der Türkei in die EU verhandelt wird. Klassisch in dem Sinn, dass dies ein reales Szenario ist, das einen formalen Ablauf kennt.

In drei weiteren Spielen wird von den jeweiligen Interessensgruppen um ein Konzept gerungen: In einem Fall fordert die EU dazu auf, ein Sendungsformat à la "American Idol" zu kreieren, im zweiten geht es um einen Imageflyer und im dritten Fall soll eine Ausstellung für ein Museum der europäischen Geschichte konzipiert werden. In allen drei Varianten müssen die Interessensgruppen darüber debattieren, was Europa – oder vielleicht die EU – überhaupt ist. Und wer über diese Frage die Deutungsmacht hat.

Das fünfte Planspiel, "Eurotopia", fordert die Teilnehmenden auf, im Auftrag der EU als Experten die Besiedelung eines neuen Kontinents zu diskutieren. Die Rollenbeschreibungen sind nur vage. Deshalb muss die eigene Expertenrolle gut ausgefüllt werden, das ist die Herausforderung. Kreative Freiräume entstehen, in denen überlegt werden muss, wie viel Neues in der Neubesiedelung stecken wird und wie viel Gewohntes aus der jetzigen europäischen Gesellschaft sozusagen "importiert" werden soll.

JfE: Welches der fünf Planspiele ist Dein Favorit?

Philipp Erbslöh: Ich finde „Eurotopia“ schon sehr spannend. Aber da ich selbst Jahre im Haus der Geschichte der BRD in Bonn gearbeitet habe, faszinieren mich auch die Diskussionen um dieses Haus auf europäischem Niveau.

JfE: "Europäische Bürgerschaft“ ist auch ein Begriff, der erst mal mit Leben gefüllt werden muss. Was verstehst Du darunter?

Philipp Erbslöh: Ich denke da an die Chance und vielleicht sogar die Verpflichtung, Europa aktiv mitzugestalten. Es ist der Sinn politischer Jugendarbeit, Freiräume aufzuzeigen, in denen alle (und damit auch zum Beispiel die Teilnehmenden einer kurzen Jugendbegegnung) Europa neu mitdenken können. Und das heißt eben auch, dass die Regeln und Abläufe, nach denen gestaltet wird, kennengelernt und eingeübt werden müssen.

JfE. An wen richten sich Eure Planspiele?

Philipp Erbslöh: Adressaten sind alle, die in der europapolitischen Jugendarbeit arbeiten, insbesondere natürlich im Programm JUGEND IN AKTION. Durch das Angebot der Übersetzung können die Planspiele entweder ganz auf Englisch gespielt werden oder – in Gruppen mit unterschiedlichen Teilnehmersprachen – in Variationen mit deutscher und englischer Übersetzung. Die Verzögerung des Spiels durch Übersetzungen spiegelt dabei durchaus die Lebenswirklichkeit europäischer Zusammenarbeit wider.

JfE: Wie viel Vorbereitung braucht ein Teamer, um die Planspiele durchzuführen?

Philipp Erbslöh: Wir haben bewusst versucht, mit möglichst wenig Text bei den Materialien auszukommen. Wichtig ist aber, dass ein Trainer den Ablauf des jeweiligen Planspiels vor sich sieht und bereits in seiner Anmoderation den Teilnehmenden deutlich vermittelt, wo das Spiel hinführt. Geht es am Ende um ein Konzept? Geht es um Einzelfragen? Steht eine Beratung aller Teams an? Oder eine Konferenz mit straffer Geschäftsordnung? 

Und wenn am Ende das Material noch kopiert werden muss, kostet die Vorbereitung sicherlich mindestens einen Abend, bevor das Spiel gespielt werden kann.  

JfE: Gibt es in den Planspielen neuralgische Punkte, an denen die Teamer besonders gefordert sind?

Philipp Erbslöh: Die Frage geht über das eigentliche Planspiel hinaus. Wir gehen bei unseren Simulationen davon aus, dass sie in den meisten Fällen bei pädagogischen Aktionen wie Jugendbegegnungen, mehrtägigen Seminaren oder Austauschen eingesetzt werden. Und somit im Kontext stehen zu einem Thema des Seminars oder der Begegnung.

Wichtig ist: Das Planspiel muss zu Thema, Gruppe oder Gruppendynamik passen. Einem Teamer sollte auch klar sein, dass einzelne Rollen in einem Planspiel mehr Wirkungskraft entfalten als andere Rollen. Insofern hat schon das Besetzen der Rollen eine wichtige Funktion für den Spielverlauf. Und nach einer intensiven Einführung in die Methode Planspiel im allgemeinen und das jeweilige Planspiel im speziellen ist es eine nicht zu unterschätzende Aufgabe der Trainer, sich selbst zurückzunehmen.

Das ist aber eine Chance des Planspiels: den Spielern zuzutrauen, dass sie in ihrer Rolle aufgehen und entsprechend handeln.

JfE: Was unterscheidet das Planspiel von anderen Planspielen?

Philipp Erbslöh: Viele trauen sich noch immer nicht an die Methode Planspiel heran. Wir wollten mit unserer Konzeption deshalb eine gewisse Schwellenangst abbauen. Wir haben versucht, die Settings der Spiele und somit auch die Konfliktlinien und Hintergrundinformationen deutlich zu reduzieren.

Unsere Planspiele sollen ja von den verantwortlichen Trainern, Betreuern und Lehrern der Gruppen durchgeführt werden und nicht – wie bei vielen anderen Planspielen – durch externe Fachkräfte, die dort ja aus gutem Grund wegen des oft umfangreichen Materials auch benötigt werden.

JfE: Ist das Planspiel noch immer eine geeignete Methode, um jungen Menschen politische Sachverhalte näher zu bringen?

Philipp Erbslöh: Als Methode basiert das Planspiel auf Aktion und Kommunikation im gesellschaftlichen Rahmen. Wer erst mal gelernt hat, eine Rolle auszufüllen und darin zu argumentieren, wird später auch leichter eigene Meinungen über Europa entwickeln können. Deshalb halte ich das Planspiel wirklich für eine tolle Methode.

Wichtig ist aber auch, dass man am Ende einer Simulation nicht die Auswertung und Reflexion vergisst. Damit steht und fällt der Erfolg eines Planspiels.

(Das Interview führte Marco Heuer.)

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Die Planspiele sind ein Angebot von JUGEND für Europa und können in der "Methodenbox Europa" kostenlos heruntergeladen werden. Zu den Planspielen...

Entwickelt wurden sie von Andrea Gebhardt und Philipp Erbslöh.

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