21.12.2011

Jugendinitiative – Begegnung im Gemüsebeet

Kölner Studenten legen auf einer Brachfläche einen mobilen Mitmach-Garten als Stadtteil-Treffpunkt an

Fette Kohlköpfe lugen über den Rand brauner Plastikboxen, aus weißen Säcken ragen Tomatenstauden in die Höhe, es gibt kistenweise Salat, Kürbis und Kohlrabi. Alles steckt in der Erde, doch die Beete sind mobil. Dazwischen stehen ein Bauwagen und Tisch und Bänke für die Gärtner – zum Ausruhen und Unterhalten. Schließlich ist "Die Pflanzstelle" nicht nur eine ehemalige Brachfläche, auf der Naturfreunde und Stadtkinder jetzt selbst Gemüse in Bio-Qualität ziehen können. Vor allem ist es ein Ort der Begegnung im Kölner Multi-Kulti-Stadtteil Kalk.

Den ganzen Sommer über kamen Neugierige vorbei und boten spontan ihre Hilfe an, Nachbarn verschiedenster Herkunft mit eigenem Garten oder mit Balkonpflanzen gaben Tipps, Kindergruppen machten Ausflüge in die Pflanzstelle und setzten Senf und Pastinaken, Studenten nahmen sich gegen eine Spende die aktuelle Ernte mit.

Den öffentlichen Gemeinschaftsgarten haben vier Kölner im Alter zwischen 25 und 28 Jahre ins Leben gerufen, die aktiv in die Gestaltung ihrer Stadt eingreifen und mehr Grün in ihrem Umfeld sehen wollten. Dafür haben sie den Verein "grenzenlos gärten" gegründet. Als Jugendinitiative beantragten sie eine finanzielle Förderung über das EU-Programm JUGEND IN AKTION, die ihnen den Start des sozio-kulturellen Gartenprojekts im Juni 2011 ermöglichte.

Die Motivation, die hinter dem Projekt steht, spiegelt das wider, was über Jugendinitiativen unterstützt werden soll. "Etwas selber machen", sei sein Ziel gewesen, sagt Biologe Julian und meint damit nicht nur, selbst in der Erde zu graben. "Da hätte ich auch Erntehelfer werden können." Ihm ging es darum, mit anderen gemeinsam eine eigene Idee umzusetzen, die Wirkung entfaltet. "Wir wollten keinen Anguckgarten, sondern einen zum Anfassen", erklärt Geografie-Studentin Rosa. Ein urbaner Garten, wo Jung und Alt erleben und schmecken können, welches Gemüse wie und wann wächst. "Ich wusste nicht viel über Gärten", sagt Regionalwissenschaftler Pit, "ich wollte auch selbst etwas lernen, aber nicht in der Uni oder am Schreibtisch." Ähnlich ging es Sebastian.

Zähe Verhandlungen ums Gartengelände

Ein Tomatenstrauch auf der PflanzstelleUnd dazugelernt haben die vier im Laufe des Sommers in vielerlei Hinsicht: organisatorisch, ökologisch, menschlich. "Am Anfang waren wir ein bisschen größenwahnsinnig", gesteht Rosa. Die Vielfalt war einfach zu verlockend: Tomaten mit Namen wie Zahnrad oder Rote Zora, weiße statt roter Beete, alte Sorten wie Schwarzwurzel und Pastinaken hatte der Biosaatguthändler im Angebot, bei dem die Hobbygärtner im Überschwang viel zu viel bestellten. In leeren Tetra Paks zogen sie dann die kleinen Pflänzchen vor – im Hinterhof und bei Julian im Indoor-Gewächshaus.

Eine Menge Arbeit, die sich hinzog, je länger die Suche nach einem passenden Gelände für den Mitmach-Garten dauerte. Die Brachfläche im rechtsrheinischen Köln-Kalk war schnell zum Wunschort erkoren, doch die Verhandlungen mit der Stadtverwaltung gestalteten sich schwierig.

"Urban Gardening liegt im Trend, die grüne Stadt ist derzeit viel in der Diskussion – aber nicht in der Umsetzung", fasst Rosa zusammen, "das haben wir zu spüren bekommen." Selbst als die Gruppe nach viel Überzeugungsarbeit in Gesprächen mit Politikern und Verwaltungsmitarbeitern ihre Pflanzen schon auf das Gelände gebracht und die Gartensaison eröffnet hatte, stand kurzzeitig wieder alles auf der Kippe und ein erneutes Tauziehen um Nutzungsrechte und vertragliche Details begann.

Das kostete alle viel Zeit und Nerven, weil es neben Studium, Arbeit und den regulären Gartenöffnungszeiten dreimal pro Woche bewältigt werden musste. "Ich war über mich selbst verwundert, dass ich nicht alles hingeschmissen habe", gibt Julian zu.

Sommerfest und viele Ideen für die nächste Saison

Doch die Hobbygärtner blieben positiv und hielten an ihrer Idee fest – auch weil sie im Stadtteil viel Unterstützung bekommen. Ein Verein versorgt den Garten mit Wasser und stellt Grünschnitt zur Verfügung, die Nachbarn freuen sich, dass auf die Brachfläche wieder Leben eingekehrt ist. "Das alles hat uns bestärkt, dass es Gruppen wie uns geben muss", sagt Rosa. Nach endgültigem Vertragsabschluss mit der Stadt luden sie zu einem Sommerfest in die Pflanzstelle ein, 100 Leute kamen und gärtnerten und feierten mit.

Nun läuft der Vertrag aus, neue Gespräche über Winterquartier und Ausweichfläche für den mobilen Garten stehen an. Die Initiatoren möchten gern in Kalk bleiben, wegen der mittlerweile engen Kontakte ins Viertel und der besonderen Zusammensetzung der Bewohner aus Studenten und Migranten. "Grünflächen sollten kein Luxus nur für bessere Stadtteile sein", findet Rosa. "Der Öko-Lifestyle hat oft auch mit Geld zu tun, aber das ist nicht unser Verständnis von einem Gemeinschaftsgarten."

Weitermachen möchten die Stadtgärtner auf jeden Fall – sie haben einfach noch zu viele Ideen. Nach den organisatorischen Herausforderungen in diesem Jahr wollen sich die vier in der kommenden Saison noch stärker auf die Sache konzentrieren: die Anzahl der Kisten und damit der Hochbeete verdoppeln, mehr Veranstaltungen und Workshops anbieten, die Schulen ansprechen, Saatgut-Tauschbörsen und Gartensprechstunden etablieren.

(Nina Voigt)

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Die Pflanzstelle im Internet: http://pflanzstelle.blogsport.eu/

Das Projekt wurde gefördert über die Aktion 1.2 – Jugendinitiativen des EU-Programms JUGEND IN AKTION. Mehr zu den Richtlinien erfahren Sie hier...

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