04.05.2009

Kick it like ...Birgit? …Mona? ...Rahel? – Internationales Frauenfußballcamp in Leipzig

Das Vorurteil, Fußball sei eine Männerdomäne, ist hinlänglich widerlegt. Auch das Leipziger Frauenfußballcamp „kick it“ des Vereins „eurient e.V.“ stellt mit interkultureller Taktik Machosprüche ins Abseits.

Doch dumme Sprüche haben alle jungen Fußballerinnen schon gehört, die sich im August 2008 zu dem multi- und interkulturellen Trainingslager trafen. Die algerische Trainerin Rahel Obiba weiß, wovon sie redet: „Auch wenn ich selbst seit meiner Kindheit mit den Jungs im Viertel Fußball gespielt habe, Freundinnen von mir hatten Probleme mit ihren Brüdern oder Vätern. Es war, als ob der Fußball nur etwas für Jungs wäre. Eine Macho-Sache.“

Genau diese „Macho-Sache“ betrieben die Sportlerinnen zwei Wochen lang intensiv. Die jungen Frauen kamen aus Jordanien, Algerien, der Türkei, Norwegen, Serbien und Deutschland nach Leipzig, um unter wechselnder fachlicher Anleitung zu trainieren und sich über die jeweils landestypischen Methoden und Taktiken des modernen Fußballs auszutauschen. Ein öffentliches Training und ein Turnier in gemischten Gruppen setzten die sportlichen Akzente.

Vielfältiges Trainingslager

Aber was ist mit den eigenen Vorurteilen, mit der Unkenntnis zwischen europäischen und arabischen Lebensweisen, um die es neben den sportlichen Belangen auch gehen soll? Hier kommt der Träger der Maßnahme ins Spiel. Der Verein „eurient e.V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Leben in den arabischen und islamisch geprägten Staaten in das Blickfeld der Menschen nördlich des Mittelmeers zu rücken.

„Wir organisieren und leiten Workshops, Vorträge, Seminare und langfristige Projekte, in denen wir Wissen vermitteln, mit den Teilnehmern aktuelle Entwicklungen analysieren. Wir bieten alternative Einblicke in eine Region, die viele nur als Krisenherd kennen“, erläutert Heinrich Sobottka, Mitorganisator des Fußballcamps.

Auch bei der Verständigung der Fußballerinnen überließen die Organisatoren daher nichts dem Zufall. Neben gemeinsamen Freizeitaktivitäten, Stadtbesuchen und Tagesausflügen gab es ein interkulturelles Training. Erfahrene Trainerinnen halfen den Sportlerinnen dabei, mittels interaktiver Methoden des interkulturellen Lernens sowohl Vorurteile und Ängste abzubauen wie auch ein Bewusstsein für die verschiedenen kulturellen Identitäten (aber auch für die Gemeinsamkeiten) zu schaffen.

Denn bei allen Unterschieden wurde deutlich, dass die Mädchen nicht nur ihre Fußballbegeisterung eint. Sie teilen auch die Erfahrungen, dass man(n) ihrem Sport sowohl mit staunender Anerkennung wie auch mit Vorurteilen und Klischees begegnet.

„Man sieht, dass sich vieles austauschen lässt“, sagt Rahel Obiba. Wenn sie von den Erfahrungen der algerischen Mädchen spricht, können dies auch die Teilnehmerinnen aus den anderen Ländern  unterschreiben: „Seit den Anfängen des Frauenfußballs in Algerien war es für den Großteil der Mädchen ihre Leidenschaft und ihr Traum, Fußball zu spielen. Es war eine Herausforderung für sie in unserer Gesellschaft, die Meinung zu vertreten, dass der Fußball eine Disziplin auch für Frauen ist. Wir wollten unseren Kindheitstraum realisieren.“

Sportlicher Ehrgeiz ohne Leistungsdruck

So geschehen in Leipzig. Am Ende der zweiwöchigen Begegnung feierten die Teilnehmerinnen ein großes interkulturelles Fest, zu dem alle Leipziger Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen waren. Diese hatten auch Gelegenheit, bei der öffentlichen Podiumsdiskussion "Von Algier bis Leipzig"  und der Filmvorführung "Football under cover" beim Thema Frauenfußball mitzudiskutieren. Diese Veranstaltungen, die in Zusammenarbeit mit der antirassistischen Faninitiative „Bunte Kurve“ und dem Leipziger Fußball Club 07 organisiert wurden, vermittelten deutlich die Botschaft der Fußballmädels: Frauen spielen nicht im Abseits!

„Wir wollten eine Woche des sportlichen Ehrgeizes ohne Leistungsdruck ermöglichen“, sagt Heinrich Sobottka. „Wir wollten Freiräume für gegenseitiges Verständnis eröffnen und nicht zuletzt den Mädchenfußball der jeweiligen Länder unterstützen“. Er empfindet es sogar als eine Art Verpflichtung, dass sich Deutschland als Ausrichter der Frauenfußballweltmeisterschaft 2011 ins Zeug legt. Immerhin habe Deutschland als eine der erfolgreichsten Frauenfußballnationen eine wichtige Vorreiterrolle inne – gerade auch für junge Frauen in der arabischen Welt und damit für die Stärkung der Stellung von Frauen in den arabischen Gesellschaften.

Dass er damit den Mund nicht zu voll nimmt, beweist die Tatsache, dass 2009 ebenfalls eine Begegnung geplant ist. Auch in diesem Jahr soll Leipzig zum Treffpunkt von fußballgegeisterten jungen Frauen aus Algerien, Jordanien, Palästina, Bulgarien und Norwegen werden.

(Helle Becker)

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Die Leipziger Filmgruppe Cinemabstruso hat das Fußballcamp begleitet und lässt in ihrem Dokumentarfilm „Kick it – Kein Abseits für Frauen“ die Fußballerinnen zu Wort kommen. Der Film wurde im Rahmen der Veranstaltung "Kurzfilmprogramm - Junges Kino aus Deutschland" auf großer Leinwand in Leipzig gezeigt und anschließend diskutiert.

Weitere Informationen zu „eurient e.V.“ finden Sie hier.

Das Projekt wurde gefördert über das EU-Programm JUGEND IN AKTION.
 

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