26.11.2007

Go West, go East, go EuroPeers

Die frisch ausgebildeten EuroPeers Carolina Sachs (22) und Maren Eitel (21) blicken auf ihren Europäischen Freiwilligendienst zurück. „Polen oder Portugal? - Das würden wir jeder Zeit wieder machen“

Zwölf Monate lang war die Berlinerin Carolina Sachs als Europäische Freiwillige in der polnischen Provinz auf Entdeckungstour. Eine unvergessliche Zeit, schwärmt die Jura-Studentin auch knapp ein Jahr nach ihrer Rückkehr und sagt: Der Osten habe sie infiziert. EuroPeers-Kollegin Maren Eitel aus dem baden-württembergischen Eningen schaut ungläubig. Nach einem deprimierenden Schulaufenthalt in Moskau gab es für ihr Auslandsjahr nur eine Devise. Dorthin gehen, wo die Sonne scheint: nach Portugal. Marco Heuer sprach mit beiden Studentinnen über ihre Eindrücke in Ost und West, künftige Herausforderungen als Europeer und Berufspläne für die nahe Zukunft.

Carolina, wie polnisch fühlt man sich nach zwölf Monaten Europäischem Freiwilligendienst in einer internationalen Begegnungsstätte?

CAROLINA: Ganz ehrlich, viele haben mich am Ende schon für eine Polin gehalten. Der Einzelunterricht in einer Grundschule im Nachbardorf hat sich anscheinend ausgezahlt.

Wieso eigentlich Polen?

CAROLINA: Ich wollte immer schon dort hin. Wenn ich an unsere Aufenthalte an der polnischen Ostsee früher denke – traumhaft. Alles war viel ruhiger, als ich es kannte. Nicht so hektisch wie in Berlin. Ich habe irgendwie das Herzliche der Menschen gesucht. Deshalb habe ich mich auch fürs Land entschieden. Wir haben in einem kleinen Dorf rund 60 Kilometer südlich von Posen gewohnt und gearbeitet.

Auch Du, Maren, bist in einem kleinen Dorf in Portugal gewesen. Palmela liegt eine gute Dreiviertel-Stunde von Lissabon entfernt. Hattest Du mit Einsamkeit zu kämpfen?

MAREN: Ich will ehrlich sein. Am Anfang war es eine verdammt harte Zeit. Ich hatte Schwierigkeiten, gleichgesinnte Menschen kennenzulernen – und das, obwohl ich eigentlich ein offener Typ bin. Das Hauptproblem war zunächst mal natürlich die Sprache. Es fiel mir schwer, Gesprächen zu folgen. Ich kam mir lange Zeit unnütz vor.

Hast Du mit dem Gedanken gespielt, früher nach Deutschland zurückzukehren?

MAREN: Eigentlich nicht, ich wollte mich durchbeißen, zumal die Arbeit im „Centro Social“ - die Beschäftigung mit den Kindern - ja auch viel Spaß gemacht hat. Einer der schönsten Momente war es daher auch, als sich einmal zwei Kollegen über mich unterhielten. Nicht nur, dass ich von der Sprache her verstand, dass es um mich ging. Sie lobten mich auch für mein Engagement. Das hat mein Selbstbewusstsein natürlich gestärkt.

Inwiefern hat Dich der Aufenthalt in Portugal denn verändert?

MAREN: Ich denke, ich bin mir gegenüber viel selbstkritischer geworden. Vor meiner Reise habe ich längst nicht so viel in Frage gestellt wie heute.

CAROLINA: Das geht mir genauso. Ohne meine Erfahrungen in Polen wäre ich gar nicht in der Lage gewesen, mit dem Studium zu beginnen. Der ganze Austausch mit den Künstlern und Lehrern vor Ort - ich weiß jetzt einfach, dass ich gut mit Menschen umgehen kann und auch, was noch besser werden muss: strukturierter zu arbeiten.

Wie unterscheidet sich die polnische und portugiesische Jugend eigentlich von der deutschen?

CAROLINA: Ich würde sagen, polnische Jugendliche sind viel gehemmter als gleichaltrige Deutsche. Sie trauen sich oft viel weniger zu. Das ist schade, hat aber auch viel mit der Geschichte des Landes zu tun. Vielleicht ist in Polen alles wirklich noch eine Spur unfreier als bei uns. Dafür werden Improvisation und Spontaneität groß geschrieben. Da kann sich mancher von uns sicherlich noch eine Scheibe abschneiden.

MAREN: In Portugal ist es krass, dass einen der portugiesische Freund nicht einfach mit nach Hause nehmen und den Eltern vorstellen kann. Ich meine, bei uns in Deutschland ist das normal, wenn man in einer Beziehung steckt. Aber dort wird das viel strikter gehandhabt. Viele wohnen noch mit 34 Jahren zu Hause... (lacht) Da überlegt man gut, wen man mitbringt. Zum Glück hat mein damaliger portugiesischer Freund schon allein gewohnt.

Inzwischen seid Ihr beide zu EuroPeers ausgebildet worden. Was hat Euch die Schulung Ende September rückblickend gebracht?

CAROLINA: Am meisten hat mir gefallen, dass uns die Teamer wirklich ernst genommen und uns zugehört haben. Die Erfahrungen jedes einzelnen wurden wertgeschätzt. Letztlich haben sie mit ihren Workshops alles dafür getan, dass wir unseren Europa-Enthusiasmus jetzt auch an andere weitergeben können. Und dann natürlich die Stimmung. Da verbringst Du mehrere Tage ganz intensiv mit lauter Gleichgesinnten – das ist eine unglaublich kreative Atmosphäre.

MAREN: Für mich war es so etwas wie der finale Anstoß. Ich wollte ohnehin aktiv werden, wusste nur noch nicht so richtig, wie ich loslegen sollte. Jetzt haben wir einen ganzen Werkzeugkasten mit an die Hand bekommen und können uns vor nützlichen Tipps gar nicht retten. Für mich war vor allem der Workshop Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hilfreich. In diesem Bereich will ich selbst mal tätig werden. Inzwischen studiere ich ja auch „Medien und Kommunikation“ in Augsburg.

Was habt Ihr Euch als EuroPeers denn jetzt vorgenommen?

MAREN: Ich bereite in Kürze einen Fragebogen für eine Reihe von Interviews an meiner Universität vor. Mich interessieren die Einstellungen junger Menschen zu Europa. Was erwarten sie von der Europäischen Union? Was sind ihre Ängste? Was wollen sie gerne bewegen? Ich warte mal ab, was dabei herauskommt. Dann werde ich eigene Schwerpunkte setzen. In jedem Fall möchte ich im Jugendhaus Reutlingen, meiner Heimat, eine Informationsveranstaltung und eine Ausstellung zum Europäischen Freiwilligendienst organisieren.

CAROLINA: Mir liegen vor allem die Haupt- und Realschulen am Herzen. Da wissen die Schüler in der Regel gar nicht, welche Möglichkeiten es im Ausland überhaupt gibt.

Und was ratet Ihr denen, die Ihre Heimat gerne mal länger verlassen wollen, aber noch nicht wissen wohin?

CAROLINA: Einfach auf das Gefühl hören. Ich sage dann: Geht dahin, wo es bei Euch kribbelt. Spannende Begegnungen gibt es überall.

MAREN: Wichtig ist nur, dass man offen ist. Eine Sprache kann man jedenfalls überall lernen. Mutig sein und das Abenteuer zulassen, sind sicherlich gute Voraussetzungen.

Das Interview führte Marco Heuer.

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