24.03.2020

Strategische Partnerschaft: Generation Europe

Zwei junge Menschen vor dem Logo von Generation Europe / Foto: Internationales Bildungs- und Begegnungswerk e.V.

Politische Partizipation für alle – das ist das Ziel des groß angelegten Projekts "Generation Europe" vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk e.V. in Dortmund. Seit 2018 beteiligen sich über 30 Jugendeinrichtungen aus 15 europäischen Ländern an dem Projekt. Im Interview erzählt die Projektverantwortliche Katharina Teiting, welche Ansätze einer gemeinsamen europäischen Demokratiebildung bei "Generation Europe" ausprobiert werden.

JUGEND für Europa: Frau Teiting, "Generation Europe" gibt es seit 2018. Was ist der Kerngedanke des Projekts?

Katharina Teiting: "Generation Europe" ist ein internationales Netzwerk von Jugendeinrichtungen zur Förderung einer aktiven europäischen Zivilgesellschaft. Im Netzwerk gibt es zehn verschiedene Partnerschaften. Zu einer Partnerschaft gehören immer Organisationen aus drei verschiedenen Ländern, die über drei Jahre lang zusammenarbeiten, um sich politisch einzumischen.

Jeden Sommer organisieren die Partnerschaften jeweils eine Jugendbegegnung. Insgesamt finden also zehn Jugendbegegnungen statt. Das Besondere ist, dass in der Zwischenzeit in lokalen Aktivitäten weitergearbeitet wird. Die Jugendlichen identifizieren in ihren Gemeinden Probleme, die sie besonders betreffen oder die sie verändern wollen. Dann werden Aktionspläne erstellt und die Jugendlichen treten mit politischen Entscheidungsträgern in den Austausch.

Auf den Jugendbegegnungen wird diese lokale Ebene mit der europäischen verbunden und die Jugendlichen beraten sich gegenseitig.

Kurz vor dem Ausbruch des Coronavirus in Europa fand in Bielefeld eine Konferenz mit allen Partnern aus dem Netzwerk statt. Worum ging es da?

Diese Netzwerkkonferenz mit unseren Fachkräften organisieren wir ein Mal pro Jahr. Alle 31 Partner aus den 15 europäischen Ländern waren da. Bei den Konferenzen geht um den Austausch zwischen den Partnerschaften an sich sowie um den Austausch im gesamten Netzwerk. Gleichzeitig werden die Jugendbegegnungen, die im Sommer stattfinden sollen, vorbereitet.

Über den Austausch hinaus bieten wir auf den Konferenzen immer Fortbildungen an – dieses Mal zu den Bereichen "Medienarbeit" und "Lobbying im jugendpolitischen Bereich". Die Realitäten in den Ländern unterscheiden sich teilweise sehr. Daher diskutieren wir über die Situationen und Rahmenbedingungen, sodass Best-Practice-Beispiele voneinander gelernt werden können.

Es gab bereits ein Vorgängerprojekt: ewoca³. Kann man sagen, dass im Vergleich zum Vorgängerprojekt  der Fokus noch stärker auf der Partizipation von Jugendlichen liegt?

Ja, bei ewoca³  haben wir sehr viel zu den vier Dimensionen von Nachhaltigkeit gearbeitet. "Generation Europe" dagegen ist explizit ein Projekt der Politischen Bildung. Es geht um Teilhabe und Partizipation von Jugendlichen und die Beschäftigung mit den Themen Menschenrechte und Demokratie.

Gab es einen konkreten Anlass dafür?

Wir arbeiten bei "Generation Europe" mit dem Netzwerk von ewoca³ zusammen. Bei unseren Partnern war von Beginn des neuen Projekts an der Wunsch da, mehr in Richtung Politische Bildung zu gehen, um ein Gegengewicht zu den antidemokratischen Bewegungen und den rechtspopulistischen Tendenzen in Europa zu setzen.

Hat der Fokus auch mit der Zielgruppe zu tun, mit der sie im Projekt arbeiten?

Ja, genau. Wir arbeiten, wie schon bei ewoca³ vor allem mit Jugendlichen, die normalerweise nicht so stark in der internationalen Jugendarbeit vertreten sind und von denen seltener erwartet wird, dass sie sich politisch engagieren.

Welche Themen setzen die Jugendlichen denn in ihren Projekten?

Vor allem am Anfang haben sich viele der Jugendlichen als unpolitisch bezeichnet. Ich würde sagen, dass einige auch jetzt noch auf die Frage, ob sie politisch sind, eher mit 'Nein' antworten würden. Das ist interessant, weil sie sich ja bereits seit einiger Zeit engagieren und aktiv sind! Für viele bedeutet "politisch sein" aber, sich in einem Parlament oder einer Partei zu engagieren oder für ein Amt zu kandidieren.

Sich hingegen vor Ort dafür zu engagieren, dass es einen besseren Nahverkehr gibt, der Jugendtreff auch am Wochenende offen hat oder dass sich Bedingungen für Wohnungslose verbessern, wird von ihnen mehr als lokales Engagement wahrgenommen. Das finden wir nicht schlimm, aber es ist gut, dass es die Jugendbegegnungen und europäischen Treffen gibt, damit klar wird, dass die Probleme in der Heimat solche sind, die auch Jugendliche an ganz anderen Orten haben.

Wie entstehen die Themen in den einzelnen Partnerschaften genau?

Der Prozess ist partizipativ gestaltet. Das bedeutet, im ersten Jahr haben sich die Teilnehmenden in den Partnerschaften damit beschäftigt, welche mögliche Themen es bei ihnen gibt und teilweise auch Befragungen durchgeführt. Ende 2018 haben sie entschieden, womit sie sich bis 2020 beschäftigen wollen.

Ziel war es, dass sich in den drei Jahren bis 2020 die Gruppen der Jugendlichen, die sich an dem Prozess beteiligen, nicht verändern. Wir waren erst selbst etwas kritisch, ob das klappt, weil die Jugendlichen alle zwischen 16 und 26 Jahre alt sind und damit in einem Alter, in dem sich viel verändert. Tatsächlich ist es so, dass ein Großteil über die gesamte Zeit dabei bleibt.

Besonders freut uns auch, dass die Gruppen bei den lokalen Aktivitäten vor Ort über den Projektverlauf gewachsen sind – in manchen hat sich die Zahl fast verdoppelt.

Und für die Vernetzung zwischen den Jugendbegegnungen nutzen Sie eine digitale liquid democracy-Plattform.

Ja, die heißt digital.D und dort können die Jugendlichen Ideen austauschen, Entscheidungen gemeinsam treffen und ihre Aktionen während den Jugendbegegnungen im Detail planen. Die Plattform haben wir in Zusammenarbeit mit unseren Partnern erstellt. Wir nutzen das Tool aber auch für unsere Jugendkonferenz, die im Herbst in Straßburg stattfinden soll und an der aus jeder Gruppe zwei Delegierte teilnehmen werden. Die Jugendlichen können auf der Plattform Schwerpunktthemen, die sie vor Ort mit Politikern diskutieren wollen, auswählen.

2020 ist das letzte Jahr von "Generation Europe" – können Sie schon sagen wie es danach weitergehen soll?

Das letzte Jahr im Programm ist das aktivste im Netzwerk. Neben den lokalen Aktivitäten, den Jugendbegegnungen und der Jugendkonferenz in Straßburg, findet im November eine europäische Aktionswoche statt. Dort werden alle Gruppen eine Aktion im öffentlichen Raum durchführen.

Insgesamt sind wir natürlich sehr motiviert das Projekt fortzusetzen. Dabei würden wir gern mit unserem bisherigen Konzept weiterarbeiten, nämlich die lokale Arbeit mit der europäischen zu verbinden. Wir könnten uns auch vorstellen, mehr mit den Formaten im Europäischen Solidaritätskorps (ESK) zu arbeiten. Eine Stellschraube, an der wir sicher drehen würden, ist, den Austausch zwischen den Jugendlichen im Netzwerk noch mehr zu fördern. Da könnten wir über regionale Jugendkonferenzen nachdenken.

Und was erwarten Sie, was die Jugendlichen thematisch weiter vertiefen wollen?

Die Themen "Umwelt" und "Mobilität" stehen stark im Fokus. Ich denke, das wird auch so bleiben, weil da keine klaren, schnellen Lösungen von politischer Seite kommen. Auch Gleichberechtigung bzw. gleiche Rechte für alle, gerade für Minderheiten, sind ein großes Thema. Wichtig ist den Jugendlichen auch die Problematik um Flucht und Migration – auch wenn da mehr diskutiert wird, als sich praktisch zu engagieren.

Wir hatten in den ersten zwei Jahren des Projekts viele Geflüchtete mit in den Gruppen, da sind enge Kontakte und auch Freundschaften entstanden. Als es die ersten Abschiebungen gab, war das für viele Jugendliche unverständlich und hatte eine stark politisierende Wirkung. Insgesamt arbeiten wir auch viel zu europäischen Werten und ich könnte mir, gerade in der jetzigen Situation, vorstellen, dass das auch ein Klammerthema von uns als Organisation wird.

(Das Interview führte Lisa Brüßler im Auftrag von JUGEND für Europa / Foto: Internationales Bildungs- und Begegnungswerk e.V.)

---

Weiterführende Informationen

Generation Europe – Young Democracy in Action ist ein Programm des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks (IBB e.V.) aus Dortmund zur Förderung einer aktiven europäischen Zivilgesellschaft. Es initiiert ein internationales Jugendnetzwerk und motiviert die Beteiligten zum gemeinsamen politischen Handeln. Beteiligt sind 30 Jugendeinrichtungen aus 15 europäischen Ländern.
Link: Mehr zum Projekt finden Sie unter der Adresse: generationeurope.org

"Generation Europe" wird unter anderem gefördert über die Leitaktion 2 - Strategische Partnerschaften  des EU-Programms Erasmus+ JUGEND IN AKTION.
Link: Mehr zu dem Förderformat erfahren Sie auf unserer Programmseite zu Erasmus+ JUGEND IN AKTION

.

Kommentare

    Bislang gibt es zu diesem Beitrag noch keine Kommentare.

    Kommentar hinzufügen

    Wenn Sie sich einloggen, können Sie einen Kommentar verfassen.