30.03.2017

Eröffnung des 16. Deutscher Kinder- und Jugendhilfetages: "Kampf für ein soziales Europa"

Junge Menschen mit Politikern aufgereiht

Ein soziales und faires Europa für alle – unter diesem Motto wurde die europäische Fachtagung auf dem 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in Düsseldorf eröffnet. Aber auch die politischen Redner der deutschen Fachöffentlichkeit setzten Europa ganz oben auf die Agenda.

Vor der offiziellen Eröffnung der Veranstaltung war Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zufällig an einer Gruppe junger Menschen in roten T-Shirts vorbeigelaufen. "Sharing Europe" stand in blau darauf geschrieben. Erkennungszeichen der EuroPeers: Jugendliche, die einen Europäischen Freiwilligendienst absolviert haben und nun anderen Jugendlichen für den europäischen Austausch begeistern.

Schwesig fand das interessant. "Wir glauben nicht, dass sie uns schon kannte, aber sie hat uns versprochen, unser Projekt jetzt auf dem Podium zu erwähnen", erzählten die EuroPeers nach dem Gruppenfoto mit der Ministerin.

Und tatsächlich: "Ich sehe viele professionelle Jugendarbeiter hier im Saal", sagte die Ministerin dann in ihrer Rede, "aber uns war es auch wichtig, Jugendliche hier dabei zu haben. Deswegen gibt es eine Jugendredaktion der Jugendpresse und ich hatte auch die Chance, mit den EuroPeers von JUGEND für Europa ins Gespräch zu kommen, die Botschafter für den europäischen Austausch sind", sagte Schwesig in Düsseldorf.

Viele Menschen sähen mit Sorge, dass die Werte Freiheit und Solidarität in einigen Ländern nicht mehr so viel wert sind. "Mir geht dann immer das Herz auf, wenn ich diese jungen Leute erlebe, die oft so viel klüger als die ältere Generation handeln und europäisch denken und leben", so Schwesig.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, betonte ebenso, dass man an einem Strang ziehen müsse: "Auch wir als Landesregierung haben uns das soziale und faire Europa und die 22 Millionen Chancen auf die Fahne geschrieben – sogar ganz wörtlich, denn an der Staatskanzlei hängt die Fahne des DJHT", so Frau Kraft.

Ein langer Atem und eine Politik, die Mut hat, sei nötig, damit junge Menschen überall in Europa einen guten Weg gehen könnten.

Creating a social and fair Europe for all young people

750.000 Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe bemühen sich in Deutschland für 22 Millionen Chancen deutscher Kinder und Jugendlicher. Genauso steht man auch auf der europäischen Ebene vor der Herausforderung von sehr unterschiedlichen Chancen.

Nach der offiziellen Eröffnung kamen 400 internationale Gäste unter dem Motto "Creating a social and fair Europe for all young people" zur Auftaktveranstaltung der europäischen Fachtagung zusammen.

Für junge Menschen ist Europa oft ein Begriff, der viele Möglichkeiten beinhaltet: Reisen, Studieren, woanders arbeiten, Freundschaften schließen – selbstverständlich über nationalstaatliche Grenzen hinweg. Auf der anderen Seite sind fast 30 Prozent der jungen Europäer von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen und ihre Chancen auf ein erfülltes Leben haben sich in den letzen Jahren noch weiter verschlechtert.

Da müsse man ansetzen, betonte Hans-Georg Wicke, Leiter von JUGEND für Europa, und dafür sorgen, dass die Jugendgarantie in ganz Europa implementiert werde. Außerdem fehle aus Sicht der Nationalen Agentur in den fünf Weißbuch-Szenarien, die Kommissionspräsident Juncker am 1. März 2017 vor dem Europaparlament präsentiert hat, eine wichtige Option: "Die Mitgliedsstaaten scheinen in Richtung eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu tendieren und deswegen sagen wir, dass das sechste Szenario der Kampf für ein soziales Europa ist." Großer Applaus dafür.

In Zeiten von wachsendem Rechtspopulismus und Nationalismus möchte der 16. DJHT auch ein europapolitisches Signal setzen, erklärte Mike Corsa von der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe: "Es wird allerhöchste Zeit für eine Rückbesinnung auf die Werte des europäischen Projektes. Werte der Demokratie, Solidarität, Offenheit, Vielfalt, Gerechtigkeit und des Friedens, aber auch des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Ein soziales Europa nimmt es nicht hin, dass die Chancen vom Land abhängen", sagte Corsa.

Wenn die Kinder- und Jugendhilfe sich aktiv in einen europäischen Erneuerungsprozess einbringen wolle, dann könne dies nur grenzüberschreitend und gemeinsam mit Fachkräften aus den europäischen Ländern geschehen, die alle eine Jugendstrategie auf ihre Agenda setzen.

"Normal oder durchschnittlich zu sein, ist unserer Gesellschaft nicht genug"

Wie kann der Beitrag der Jugendarbeit zu so einem sozialen und fairen Europa aussehen? Zu Gast waren neben den Podiumsgästen Mike Corsa (AGJ), Hans-Georg Wicke (JUGEND für Europa) und Panos Poulos (Europäische Jugendzentren Netzwerk) auch zwei junge dänische Filmemacher.

Elena Askløf und Peter Laugesen berichteten von ihrer Reise durch ganz Europa, bei dem ihr Film "Vores Europa" (Unser Europa) entstand: "Der Film zeigt ein sehr gemischtes Bild. Wir haben mit Jugendlichen gesprochen, die zu der politisch extrem Rechten gedriftet sind, wir haben die stille Mehrheit erlebt, die für die EU als Ganzes sind, aber mit einigen Teilpolitiken Probleme hat", erzählte Laugesen.

"Aber wir haben auch einen Anstieg an proeuropäischen Aktivitäten gesehen, weil viele Jugendliche nun sehen, dass dies nötig ist. Und dann gibt es noch diese große Gruppe junger Menschen, die es einfach nicht interessiert, die nicht wählen geht." Askløf ergänzte: "Ich habe auf der Reise verstanden, warum junge Menschen in Südeuropa die Krise als persönliche Strafe wahrnehmen, die sie mit ihren Leben und Möglichkeiten bezahlen, obwohl sie doch nichts dafür können", erklärte die Dänin.

"Dazu kommt, dass die Zahlen der Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland noch weit höher liegen, als offiziell festgestellt. Viele registrieren sich einfach nicht, sehen kein Licht am Ende des Tunnels", fügte Poulos hinzu. Gleichzeitig sähe er, dass viele junge Leute Hoffnung hätten. Viele können sich schlichtweg nicht vorstellen, dass diese Situation noch sehr viel länger anhalten könne.

Aber nicht nur in Südeuropa, auch in Dänemark selbst sieht Askløf eine immer individualisierte Gesellschaft, in der junge Leute oft ängstlich, deprimiert seien. Außerhalb der eigenen Karriere, des eigenen Profits fehle es an einem Ziel, für das gestritten werden könne. "Normal oder durchschnittlich zu sein, ist unserer Gesellschaft nicht genug – diesen Druck spüren Jugendliche sehr deutlich. Es ist der eigene Fehler, wenn man etwas nicht schafft – niemand anderem kann die Schuld dafür gegeben werden", sagte sie.

Auf ihrer Reise kamen die beiden Dänen auch in die griechische soziale Klinik "Elliniko", die seit Krisenbeginn von Freiwilligen im Süden Athens betrieben wird: "Das ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die über 40.000 Menschen geholfen hat", erklärte Laugesen. "Die EU wollte ihnen einen Preis für ihr Engagement verleihen, aber das Projekt lehnte ihn ab, mit der Begründung, dass die EU aus ihrer Sicht auch Teil des Problems sei, warum sie als Sozialklinik überhaupt erst aktiv werden musste."

Da müsse man sich fragen, wie politisiert die Initiativen sind, findet Corsa. Im Kampf für ein soziales Europa helfe es nicht, sich um sich selbst zu drehen, sondern man müsse gemeinsam handeln. Gegner gebe es schließlich überall.

Dieser Appell ging also nach innen.

(Text: Lisa Brüßler für JUGEND für Europa / Foto: Jörg Heupel)

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