31.01.2017

"Die Zusammenarbeit zwischen Schule und dem außerschulischen Bereich hat gute Entwicklungschancen."

Gernot Stiwitz, Abteilungsleiter beim Pädagogischen Austauschdienst des Sekretariats der KultusministerkonferenzInterview mit Gernot Stiwitz, Abteilungsleiter beim Pädagogischen Austauschdienst des Sekretariats der Kultusministerkonferenz.

JUGEND für Europa: Herr Stiwitz, was gibt es für die Schulen im Erasmus+-Programm zu feiern?

Gernot Stiwitz: Wir feiern, dass wir seit 30 Jahren ein sehr gutes Programm fahren. Aber aus Schulsicht sehen wir durchaus Verbesserungsmöglichkeiten. Wir brauchen mehr Schülermobilitäten und wir brauchen ein Programm, das stärker auf schulische Möglichkeiten zugeschnitten ist. Auch die Antragsstellung müsste überdacht werden. Die ist stark auf Hochschulen zugeschnitten und damit kommen viele Schulen nicht zurecht.

JfE: Auch der Schulbereich bekommt dieses Jahr mehr Mittel. Sehen Sie schon Schwerpunkte, wofür sie die einsetzen können?

Gernot Stiwitz: Mir würde es gefallen, wenn wir mehr sozialbenachteiligte Schülerinnen und Schüler erreichen könnten. Aber das ist nicht so ganz einfach. Wie gewinne ich diese Kinder und Jugendlichen? Wie gewinne ich ihr Zutrauen, so einen Austausch mitzumachen? Wie gewinne ich die Eltern? Und wir müssen an und für Schulen Multiplikatoren erreichen, die wollen, dass ihre Schule oder ihre Schülerinnen und Schüler mitmachen.

JfE: Können Sie sich in dieser Frage eine Zusammenarbeit mit dem außerschulischen Bereich vorstellen?

Gernot Stiwitz: Ja, absolut! Ich glaube, dass die Zusammenarbeit zwischen Schule und dem außerschulischen Bereich gute Entwicklungschancen hat. Es gibt viele Felder, in denen man zusammenarbeiten könnte: die historisch-politische Bildung, die kulturelle Bildung, der Sport oder auch der naturwissenschaftliche Bereich. Mein persönlicher Wunsch wäre daher auch, dass das Erasmus +-Programm einen stärkeren Fokus auf den Bereich der Demokratisierung von Jugendlichen legt. Da können Jugend und Schule sehr gut zusammenarbeiten. Wir haben ja die Pariser Erklärung aus dem Jahr 2015. Aus meiner Sicht wäre es sehr wünschenswert, wenn wir Anträge, die sich mit Projekten zur Demokratisierung oder der Gewaltprävention befassen, als besonders förderungswürdig bewerten könnten.

JfE: Wie kann man Schulen ermuntern, sich stärker zu internationalisieren?

Gernot Stiwitz: Man muss das Thema in der Schule partizipativ unterbringen. Die Mehrheit der Lehrer muss mitmachen. Die Gesamtkonferenz muss also eingebunden sein. Es müssen die Eltern gefragt werden und die Schülervertretung sollte ins Boot geholt werden. Dann kann man eine gemeinsame schulische Grundhaltung erzeugen, aus der heraus ein internationales Arbeiten erstens leichter wird und zweitens nicht so schnell aus dem Schulprogramm verschwindet. Leider haben es Querschnittsthemen wie „Internationalisierung“ in Schulen nicht ganz leicht. Sie müssen meist neben oder zwischen dem Unterricht bearbeitet werden und werden bisweilen als bloße Mehrarbeit empfunden. Das passiert aber nur dann, wenn ein Querschnittsthema in den Schulen nicht ernst genommen wird und es nicht ins schulische Leitbild und ins Schulleben eingebunden ist.

JfE: Hilft nicht auch die künftig bessere Mittelausstattung von Erasmus+?

Gernot Stiwitz: Da sind wir paradoxerweise in einer schwierigen Situation. Wir haben mehr Geld, und gleichzeitig eine abnehmende Zahl von Anträgen. Wir müssen also unbedingt die Antragszahlen steigern. Erasmus + muss mit Blick auf das 2020 anstehende Folgeprogramm wieder attraktiver gemacht werden, dass mehr Schulen mitmachen. Und jetzt müssen wir Schulen und Lehrkräfte beraten und unterstützen, die einen Antrag stellen, der sehr viel Aufwand bedeutet. Und wir müssen die Schülerinnen und Schüler gewinnen. Da haben wir noch viel zu tun!

(Das Interview führte Dr. Helle Becker im Auftrag von JUGEND für Europa)

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