10.01.2017

"Sing me in" – eine Strategische Partnerschaft zur Integration durch gemeinsames Singen

Die Strategische Partnerschaft "Sing me in" entwickelt Methoden, wie gemeinsames Singen zur Integration von jungen Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund beitragen kann. Elf Chor-Verbänden aus zehn Ländern sind an dem Projekt beteiligt.

JUGEND für Europa sprach mit Côme Ferrand Cooper, Manager des Projekts und Mitarbeiter beim Antragsteller "European Choral Association – Europa Cantat", über das gemeinsame Singen als Methode zur Integration, über die Auswahl der Partnerorganisationen und die Ziele der Partnerschaft.

JUGEND für Europa: Welche Rolle spielt Sprache beim Singen und inwiefern hat das Singen in einer Fremdsprache integrative Wirkung?

Côme Ferrand Cooper: Es gibt verschiedene Studien, die die positive Wirkung von Gesang auf den Erwerb einer Fremdsprache beweisen. Auch unsere Erfahrungen sowie die Erfahrungen unserer Partnerorganisationen zeigen das.

Die Frage ist, wie man dieses Werkzeug so einsetzt, dass es wirklich funktioniert. Dieser Frage wollen wir im Projekt nachgehen.

Wie und nach welchen Kriterien wurden die Partnerorganisationen ausgewählt?

Alle beteiligten Organisationen stammen aus unserem Netzwerk, der European Choral Association – Europa Cantat. Wir sind ein großes Netzwerk von 58 nationalen und regionalen Organisationen. Innerhalb des Netzwerkes gab es schon länger Überlegungen, zum Thema Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund zu arbeiten.

Wir stellten fest, dass unterschiedliche Organisationen ähnliche Herausforderungen bei der Integration von Geflüchteten und jungen Menschen mit Migrationshintergrund sehen, aber nicht die passenden Methoden und Werkzeuge finden, diese Probleme anzugehen.

An einem gewissen Punkt haben wir dann einen Aufruf in unserem Netzwerk herumgeschickt. Das war der Start unseres Projekts.

Wie lief die Bedarfsanalyse?

Zunächst haben wir, wie gesagt, ähnliche Probleme unter den beteiligten Organisationen erkannt und gesehen, dass diese die Probleme gern angehen würden, aber nicht wissen, wie.

Außerdem wurde uns bewusst, dass die Zusammensetzung der Chöre sehr homogen ist – demografisch, ethnisch. Um es übertrieben zu sagen: Chöre bestehen vor allem aus den Vertreterinnen und Vertretern einer weißen Mittelklasse. Das ist Fakt und das wollen wir ändern und alle möglichen Gesellschaftsschichten einbeziehen.

Eine weitere Bedarfsanalyse ergab, dass die meisten Chöre gern zur Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund beitragen wollen. Der Wille zur Veränderung ist also da und er kommt direkt aus dem Feld der Chöre selbst. Das ist die Grundlage für die Partnerschaft.

In ihrem Projekt "Sing me in" sind elf Partnerorganisationen involviert, darunter Organisationen aus der Türkei und dem Libanon. Welche Erfahrungen bringen diese ein?

Viele der Geflüchteten in Europa kommen aktuell aus Ostanatolien und muslimischen Ländern. Daher sind wir sehr froh, dass die Organisationen aus der Türkei und dem Libanon im Projekt vertreten sind. Sie arbeiten schon sehr lange an der Frage, wie man Geflüchtete in einen Chor integrieren kann.

Sie haben einen großen Erfahrungsschatz, zum Beispiel was das gemeinsame Singen in einer multikulturellen, muslimisch geprägten Umgebung betrifft, welche eine sehr spezielle Verbindung zum mehrstimmigen Singen hat. Speziell die libanesische Organisation bringt zudem Erfahrungen zur Arbeit mit sehr jungen Sängerinnen und Sängern ein.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den elf Organisationen bisher?

Wir hatten das erste offizielle Projekttreffen in Utrecht, zuvor haben wir Online-Tools zur Kommunikation und Absprache genutzt. In Utrecht sind wir durch den Projektablauf gegangen, haben uns vor Augen geführt, was das Projektziel ist, die organisatorischen Fragen, administrative Pflichten und so weiter.

Wichtig war die Begriffsdefinition. Wer sind Menschen mit Migrationshintergrund, mit Fluchthintergrund überhaupt, über wen sprechen wir da eigentlich? Und wir mussten uns klar machen, welchen Output wir am Ende erzielen wollen.

Insgesamt planen wir fünf Treffen bis Ende 2018, darunter eines im Libanon.

Was wird das Produkt dieser Strategischen Partnerschaft sein?

Wir wollen kurze und effiziente Handbücher für die Praxis erstellen. Dafür haben wir konkrete Ziele definiert.

Ein Ziel ist zum Beispiel die Arbeit mit Geflüchteten in ihrer häuslichen Umgebung, also in Flüchtlingslagern oder Unterkünften. Ein anderes Ziel ist die Inklusion von Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in bestehende Chöre. Wir wollen den Chören, die gern integrativ arbeiten wollen, Methoden an die Hand geben – was sie tun können und was sie besser nicht tun sollten, damit Integration funktioniert.

Zu guter Letzt wollen wir Methoden für den schulischen Bereich liefern, wie auch dort Singen als pädagogisches Mittel zur Integration eingesetzt werden kann.

Wie kann man den Output über das Handbuch hinaus strukturell verankern?

Wir sprechen über verschiedene Strukturen, in denen die verschiedenen Handbücher zur Anwendung kommen – Flüchtlingsunterkünfte, bestehende Chöre, Schulen. Wir haben bisher noch kein Konzept dafür, wie die Bücher in den verschiedenen Bildungssystemen der einzelnen Partnerländer strukturell zur Anwendung kommen sollen. Wir arbeiten in der ersten Phase nicht mit Bildungsministerien zusammen.

Wir wollen den Einfluss zuerst über unser eigenes Netzwerk ausüben. Für die Chorwelt auf europäischer Ebene sind wir, die European Choral Association – Europa Cantat, die Struktur, über die wir den Einfluss ausüben können. Wir können internationale Konferenzen organisieren, auf persönlicher Ebene die Informationen und Handbücher verteilen, fachlichen Austausch betreiben.

Durch die nationalen Organisationen haben wir Zugang zu den Praktikern der Chorarbeit, den Chorleiterinnen und Chorleitern, den Dirigentinnen und Dirigenten. Und selbst, wenn das Projekt in zwei Jahren endet, sehen wir es mindestens als ein zehnjähriges Projekt an, denn sobald wir die Handbücher erstellt haben, werden wir daran arbeiten, diese zu verbreiten.

Wir haben keine strukturelle Evolution in dem Sinne geplant. Aber wenn unsere Arbeit gut ist, kann eine solche strukturelle Evolution passieren.

(Das Interview führte Babette Pohle für JUGEND für Europa)

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Informationen zu den Strategischen Partnerschaften im Programm Erasmus+ JUGEND IN AKTION finden Sie hier...

Mehr Informationen zum Projekt "Sing me in" finden Sie hier.

Das Online-Tool zur Bedarfsanalyse in Chören, die sich stärker mit dem Thema Integration von Geflüchteten und jungen Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigen wollen, finden Sie hier.

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