13.01.2015

"Ein europäischer Austausch liefert wichtige Impulse für die eigene Arbeit"

JUGEND für Europa sprach mit Mireille Gras von JUGEND für Europa und ihrem Kollegen Paavo Pyykkönen von der finnischen Nationalagentur "Centre for International Mobility" über den Begriff der "cross-community-work" und wie es zum Training "Across the line" kam.

JfE: In eurem Training steht die "cross-community-work" im Mittelpunkt. Wie kam es zu diesem Training?

Pyykkönen: Das war ein langer Weg, in dessen Verlauf auch die beteiligten Ländern wechselten. Als wir im Jahre 2007 begannen, war es eher ein skandinavisches Projekt. Ausgangspunkt war, dass wir in der finnischen Agentur die Erfahrung machten, dass bei einigen Projektanträgen von Migrantenselbstorganisationen die finanziellen Mittel falsch verwendet wurden und die Organisationen hinterher Schwierigkeiten bekamen.

Ich überlegte, wie wir einen Beratungsprozess für Organisationen gestalten können, wenn unterschiedliche Verständnisse und Auffassungen existieren. Auf nationaler Ebene startete ich daher ein Projekt, das den Titel “Cultural Coaches” trug. Erfahrene Jugendarbeiter aus unterschiedlichen communities absolvierten eine Schulung über das europäische Jugendprogramm und trugen dieses Wissen anschließend in ihre community hinein.

Als eines der SALTO-Center den Vorschlag machte, diese Idee in anderen Ländern umzusetzen, entstand ein europäischer Prozess.

Gras: Alle Nationalagenturen waren daran interessiert, im Programm die Anzahl an Teilnehmenden mit Migrationshintergrund zu erhöhen. Es ist somit ein Thema von allgemeinem Interesse.

Mitten in einem Schneesturm in Stockholm begannen wir vor drei Jahren während eines Antirassismus-Trainings darüber nachzudenken, wie wir dies umsetzen könnten. Wir hatten zunächst die Idee, ein “Basisangebot” zu schaffen, um Organisationen, die verstärkt mit Jugendlichen arbeiten, die eine Migrationsgeschichte haben, Werkzeuge für die Teilnahme an europäischen Projekten zu vermitteln. Ein solches erstes Training fand mit Teilnehmenden aus Schweden, Deutschland, Finnland, Norwegen und dem Vereinigten Königreich statt.

Die britischen Kollegen setzten sich dann insbesondere dafür ein, dass Migrantenselbstorganisationen miteinbezogen würden. Sie setzen sich dafür ein, den Gedanken der "cross-community-work" umzusetzen.

JfE: Was zeichnet den Begriff der "cross-community-work" aus? Was ist eurer Meinung nach wichtig in dieser Diskussion?

Pyykkönen: Der Begriff der "cross-community-work" stammte ursprünglich von uns, weil wir verschiedene communities zusammenbringen wollten. Dass der Begriff übernommen und woanders ebenso verwendet wurde, war von uns erst einmal nicht beabsichtigt.

Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir versuchen, diesen Begriff zu definieren und ihn für die alltägliche Arbeit nutzbar zu machen. Also, wie lässt sich ein Austausch zwischen verschiedenen communities herstellen?

Gras: Ich denke, der positive Aspekt dieses Themas ist, dass es viele Trainings gibt, in denen darüber reflektiert wird, wie Menschen mit einer Migrationsgeschichte besser einbezogen werden können. Ein Problem ist jedoch, dass es sehr viele Organisationen gibt, die mit Jugendlichen arbeiten, die eine Migrationsgeschichte haben – doch die Jugendlichen selbst sind nicht vertreten.

Wenn man Trainings wie dieses durchführt, wenn man sich direkt an die communities wendet, dann hat man eine Mischung von beiden. Und das ist es, was wir wollen.

JfE: Das bedeutet, dass "cross-community-work" kein festgeschriebener, sondern ein flexibler Begriff ist?

Pyykkönen: Ja. Nach dem Training haben wir in unserem Team darüber diskutiert, dass wir uns dem Begriff angenähert haben. Wir haben ihm einen Rahmen gegeben, trotzdem hat jeder weiterhin seine eigenen Ideen.

Ich denke, dass es keiner festgeschriebenen Definition des Begriffs bedarf. Wir brauchen eher eine individuelle Auseinandersetzung mit ihm. Auf diese Weise wird sich die eigene Arbeit vielleicht schon ein bisschen mehr am Gedanken der cross-community orientieren.

JfE:  Worin bestehen eurer Erfahrung nach die Schwierigkeiten für die europäische Jugendarbeit "Migrantenselbstorganisationen" zu erreichen?

Pyykkönen: Die Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten möchten, haben oftmals ganz andere Probleme als über internationale Belange nachzudenken. Viele sind damit ausgelastet, als Organisation zu funktionieren. Das ist in Deutschland, Finnland und Schweden gleichermaßen der Fall.

Gras: Ich denke, dass ein Training wie "Across the line" Menschen motiviert, sich mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen. So gibt es zum Beispiel in Finnland eine große Somali-Community und in unserem Training hatten wir zwei Personen aus dieser community dabei. Allein ihre Teilnahme am Training ist ein sehr großer Erfolg, denn auch diese community hat andere Probleme zu bewältigen. Doch der Austausch mit Organisationen aus ganz Europa kann ihnen wichtige Impulse für die eigene Arbeit geben.

JfE: Neben der inhaltlichen Fortbildung, die ein solches Trainings bietet, profitieren  die die Teilnehmenden also vor allem vom persönlichen Austausch untereinander?

Pyykkönen: Ja. Austausch und Vernetzung ist der erste Schritt hin zu europäischen Projekten. Wir sind dazu geneigt, unmittelbar Ergebnisse geliefert bekommen zu wollen. Aber vor allem in der Arbeit mit Jugendlichen, die keinen leichten Zugang zu europäischen Projekten haben, benötigt es Zeit, um sie einzubeziehen.

Oftmals hören wir erst zwei Jahre später von Leuten, mit denen wir ein Training durchgeführt haben, dass sie nun bereit zu mehr seien. Es ist aber wichtig, diese Zeit zu geben, weil es sich positiv auf die Qualität der Projekte auswirkt.

(Das Interview führte Lisa Brüßler im Auftrag von JUGEND für Europa.)

Bild: ©Lisa Brüßler

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