26.11.2014

Rückkehrarbeit ganz groß: Über die Potenziale des Rückkehr-Events „comeback“

Die Rückkehrarbeit findet seit 2012 in Form einer zentralen Großveranstaltung statt, dem „comeback“. Vorher organisierten die Bildungsträger dezentrale, kleine Rückkehrseminare. JUGEND für Europa sprach mit Silke Dust darüber, wie sie diese Veränderungen einschätzt, die die Rückkehrarbeit in den letzten Jahren erfahren hat und welche neuen Möglichkeiten das Format des Events bietet.

Silke Dust ist seit 2003 Leiterin des Fachbereichs Europäischer Freiwilligendienst in der Jugendakademie Walberberg bei Bonn. Als Trainerin und Projektverantwortliche führte sie  2012 und 2013 Rückkehrseminare für die Freiwilligen durch, seit 2013 ist sie Mitglied der Steuerungsgruppe des comeback und für den Bereich der Workshops auf dem Event zuständig.

JfE: Welche Möglichkeiten bietet die Großveranstaltung „comeback“ den Rückkehrenden im Vergleich zu den Rückkehrseminaren davor?

Silke Dust: Ich stand dem Event zunächst skeptisch gegenüber, weil ich die Seminare als sehr angenehm für einen vertiefenden Austausch empfand und Angst hatte, dass manche Freiwillige bei solch einem Großevent untergehen würden – insbesondere die, die leidvolle Erfahrungen während des EFDs gemacht haben, bzw. bei denen die Rahmenbedingungen nicht gestimmt haben.

Als ich das erste Event als Trainerin 2012 miterlebt habe, stellte ich fest, dass aus der Masse von 300 Personen eine ganz andere Dynamik entsteht, eine Vernetzungsdynamik, die bei einem Seminarformat so nicht möglich ist. Die Vielfalt der Workshops ermöglicht es zudem, dass zielgerichteter und mehr an den Bedürfnissen der Freiwilligen orientiert reflektiert werden kann. Die Podiumsdiskussion bietet einen Dialog auf politischer Ebene, der in dieser Form bei kleinen Seminaren nicht möglich ist. Der EFD ist so viel sichtbarer geworden.

Beim ersten Event haben sich jedoch einzelne Freiwillige sehr unwohl mit der großen Struktur und dem fehlenden Platz für persönliche Reflexion gefühlt, so dass 2013 sogenannte Regiogruppen eingeführt wurden, die dem Bedürfnis nach geschütztem Raum für die eigene Reflexion und für regionale Vernetzung sehr entgegenkommen. Das Format hat sich somit die letzten Jahre immer weiter entwickelt.

Wie hat sich die Rückkehrarbeit auf der pädagogischen Ebene verändert?

Viele Themen in der Rückkehrarbeit sind geblieben: der Wunsch nach Austausch mit Gleichgesinnten, die Notwendigkeit des Findens eines Umgangs mit dem Rückkehrschock, die Integration des Freiwilligendienstes in die jetzige Lebenssituation in Deutschland und auch die Entwicklung von politischen Aktionen.

Ein Punkt, der mir auffällt, ist jedoch, dass insgesamt der Freiwilligendienst und auch die Rückkehrarbeit medialer geworden sind. Nicht nur, dass beispielsweise eine viel größere Zahl an Beamern auf dem Event eingesetzt wird als früher und die Außenwelt stärker in die Nachbereitung medial einbezogen wird (wie bspw. bei den Workshops zum Thema Migration), die Vernetzung der Freiwilligen nach dem Event geschieht medial.

Auch spielt das Thema „Wie stark habe ich mich eigentlich auf mein Aufnahmeprojekt einlassen können?!?“ eine Rolle. Da eine gute Balance zwischen gewünschtem Kontakt nach Hause und zu viel Kontakt nach Hause zu finden, verlangt den Jugendlichen eine sehr hohe Medienkompetenz ab und wird auch auf dem Event kontrovers diskutiert. Thematisch habe ich den Eindruck, dass der Wunsch nach alternativen Lebensformen, nach einem entschleunigteren Leben sowie die Auseinandersetzung mit wirtschafts- und konsumkritischen Themen zugenommen hat und gut bearbeitet werden kann.

So eine Großveranstaltung wie das comeback hat ja sicher auch eine enorme Wirkung für die Öffentlichkeitsarbeit, oder?

Der Eventcharakter mit 300 Freiwilligen ist an sich schon öffentlichkeitswirksam und bietet die Möglichkeit, auf den EFD mit seiner europäischen Ausrichtung und das Jugendkapitel im neuen Programm Erasmus+ aufmerksam zu machen. Die europäische Ausrichtung ist Alleinstellungsmerkmal des EFD, im Gegensatz zu anderen Freiwilligendiensten wie „weltwärts“ oder dem Bundesfreiwilligendienst. Eine Abgrenzung zu diesen anderen Diensten ist wichtig für die öffentliche Wahrnehmung des EFD.

Gleichwohl wäre es schön, wenn es mehr Zusammenarbeit in der Rückkehrarbeit mit anderen Programmen gäbe, weil ein Ansatz des gemeinsamen bürgerschaftlichen Engagements total naheliegt und Ressourcen noch einmal gebündelt würden.“

In den Jahren 2012 und 2013 gab es auf dem comeback politische Podiumsdiskussionen. Diese sind 2014 dem Polit-Battle gewichen. Welche Chancen stecken in solchen neuen Formaten?

Das Format der Podiumsdiskussionen ermöglichte bereits einen direkten Austausch mit PolitikerInnen zu EFD-relevanten Themen. 2012 gab es eine Podiumsdiskussion mit Doris Pack, die den EFD mitbegründet hat, sowie mit einer der ersten Freiwilligen, die nach Frankreich entsendet wurde und die heute beim Deutschen Fußballbund arbeitet.

Die Freiwilligen konnten Frau Pack Fragen stellen und sie war sehr beeindruckt, was aus der einstigen Initiative geworden ist, wie sie sich weiterentwickelt hat und welche Stolpersteine es heute gibt. Sie hat die Anregungen der Freiwilligen sehr ernst genommen.

Die ehemalige Freiwillige hat sehr pointiert dargestellt, welchen Einfluss der EFD auf ihre weitere berufliche und lebensgeschichtliche Laufbahn hatte und welches Engagement aus dem EFD erwachsen kann. Das war sehr motivierend und erhellend für die Freiwilligen, solch eine Retrospektive dabei zu haben.

Positiv finde ich, dass beim Polit-Battle dieses Jahr ein kontroverses Thema („Wie friedlich soll die EU sein?“) gewählt wurde, was nur indirekt etwas mit dem EFD zu tun hat. Gleichzeitig ist es von solch hoher politischer Aktualität, dass eine Auseinandersetzung damit auf einem Event nahe liegt. Es wäre toll, wenn im Zusammenhang damit für Interessierte eine vertiefende Auseinandersetzung und gegebenenfalls politische Aktionen lanciert werden würden – vielleicht im nächsten Jahr.

Politisches Theater, Politaktivismus oder kreativer Protest, aber auch künstlerisch neue Formen wie Tape-Art könnten wir in diesem Zusammenhang noch erproben.

Politisiert der EFD und die Rückkehrarbeit diejenigen, die ihn absolviert haben?

Ich würde es pointierter formulieren. Die Jugendlichen, die an dem EFD teilnehmen, sind vorher auch schon politisch eigenständig denkende Menschen. Ihr Engagement bekommt häufig durch den EFD neuen Schwung und sie denken anders über politische Themen nach. So ein Freiwilligendienst hat bei den einzelnen jungen Menschen viel in Bewegung gesetzt, auch ein Rückkehrevent zeigt wieder neue Wege und Schritte auf, die gegangen werden können.

In der Dynamik und Kraft von 300 Teilnehmenden, die gemeinsam über politische und individuelle Themen diskutieren, entsteht immer Politisierung – welche Schritte daraus für jeden einzelnen Menschen folgen, wird er/sie selbst entscheiden. Nicht alle Einzelerfahrungen sollten sofort runtergebrochen werden auf die Frage: Wie kann der EFD in weiterem politischen und zivilgeselleschaftlichen Engagement münden? Das ist mir persönlich zu zweckgesteuert.

Ich habe auf dem Event wieder so viel Energie gespürt, sich mit gesellschaftlichen, politischen und individuellen Themen auseinanderzusetzen, sich zu vernetzen, gemeinsam Aktionen zu organisieren, Projekte zu entwickeln, Lebensentwürfe zu verändern, das ist persönlich bereichernd und gesellschaftlich gesehen unglaublich wertvoll. Die Gesellschaft braucht Impulse von jungen Menschen, die sich auch mal quer stellen und sich reiben, Position beziehen – und dazu kann der EFD beitragen.“

(Das Interview führte Babette Pohle für JUGEND für Europa)

Bild: ©Babette Pohle

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