16.11.2014

Der große Knall kam erst zum Schluss

Die reizvollste Randerscheinung Europas ist Island, auf halbem Weg zwischen europäischem Festland und Nordamerika, rutscht es EU-Bürgern häufig vom Radar. Auch die Isländer halten sich inzwischen zurück mit Beitrittseuphorie, anders als nach der Bankenkrise vor sechs Jahren. Das Land hat seine Eigendynamik, das gilt für die Menschen genauso wie für Islands Naturgewalten. Beides hat Anna Meier und Florentine Emmelot fasziniert, weshalb sie mit ihrem EFD buchstäblich das Weite suchten.

Eine Woche vor ihrer Abreise passierte es dann doch. Der Vulkan brach aus, Barðabunga, ausgesprochen: Barthabunga. Isländisch ist eigen, ein weiteres Extrem. „Ich habe mich bewusst für die Extreme entschieden, weit weg zu gehen, in ein Land in dem ich noch nie war“, sagt Anna.

Dass sich die Insel per Vulkanausbruch verabschiedete, gefiel ihr. „Darauf hatte ich ein bisschen gehofft.“ Von Mai 2013 bis September 2014 lebte die Freiburgerin als Workcamp-Leiterin in Europas nördlichster Nation. Den Polarwinter hat sie gut weggesteckt und der abschüssigen Welt-Lage Islands zum Trotz „Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt“. Darunter einen mexikanischen Freiwilligen, der schlucken musste, als er mit der Wasserverschwendung der Haushalte dort konfrontiert wurde. „In seinem Land herrscht mitunter Wassermangel“, kann Anna nachvollziehen, auch sie fühlte sich angesichts des fehlenden Umweltbewusstseins im Gastland unbehaglich. „Nachhaltigkeit spielt keine Rolle, Mülltrennung gibt es auch keine. Das hat mich schon gestört.“

Florentine Emmelot, die von Mai bis September als Freiwillige die Abläufe in einem Pfadfindercamp unterstützte, stellte die Skandinavier mit ihrer vegetarischen Ernährung auf die Probe: „Ich musste bei fast jedem Essen eine Grundsatzdiskussion führen.“ Abgesehen davon schloss die Münchnerin die Isländer schnell ins Herz, auch wenn in ihrer Einsatzstelle nicht alles reibungslos ablief. „Ich hatte wenig zu tun und es gab anfangs keine klaren Aufgaben. Das mag daran gelegen haben, dass ich die erste EFDlerin dort war.“ Sie meint Hafnarfjörður, einen kleinen Ort westlich der Hauptstadt Reykjavik. Zumindestens in der Nähe. Denn: „Isländer sind ganz weit weg von allem“, sagen die Mädchen übereinstimmend, „geografisch wie politisch.“ Die Menschen reagierten empfindlich wenn es darum ginge, Selbstbestimmung aufzugeben, etwa zugunsten der EU.

Island war lange fremdregiert, gehörte erst zu Norwegen, dann zu Dänemark. Angenähert hat sich das Land jüngst eher an die nur vier Flugstunden entfernten USA als an die EU. „Nach der Krise sind nur wenige aufgewacht und üben tiefgreifende Kritik am System“, findet Anna. Da sei kein Umdenken spürbar. Folglich auch kein Umschwenken auf EU-Beitrittskurs.

Dafür haben die Freiwilligen aus Deutschland im Norden Gelassenheit gelernt. In Island herrsche weniger Leistungsdruck, die Menschen fänden ihr Tempo, um Dinge zu erledigen. Die Demos zur Zeit der Bankenkrise sind aus dem Bewusstsein der Bevölkerung gerückt und Island mit ihnen aus dem EU-Fokus. Das Land ist klein, gemessen an der Bevölkerungsdichte aber riesig. Die Dichte der Räume und Menschen in Deutschland schockten Anna und Florentine regelrecht, nachdem sie zurückkehrt waren. „Ich musste erst mal alleine sein“, erinnert sich Anna, „ich war zwei Tage bei meiner Familie in Freiburg, dann bin ich zum Wandern in die Berge gefahren.“

Was ist comeback 2014 und was läuft? Mehr unter www.comeback2014.eu

(Dr. Tanja Kasischke für JUGEND für Europa)

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