15.11.2014

EFD in St. Petersburg: Zwischen Putin-Treue und EU-Fernweh

Der Ton zwischen Russland und der EU hat sich verschärft. Auch die deutsch-russischen Beziehungen belastet Wladimir Putins Politik auf der Krim und in der Ostukraine. Dass sein Europäischer Freiwilligendienst in St. Petersburg in eine politisch brisante Zeit fallen würde, hätte sich Robin Roth aus Göttingen nicht träumen lassen. Seine Teilnahme am comeback 2014 macht ihn zu einem begehrten Gesprächspartner.

Als Flug MH17 über der Ostukraine abstürzte, saß Robin in der Transsibirischen Eisenbahn. Die Fahrt auf einer der berühmtesten Schienenstrecken der Welt hatte ihren Preis: „Ich war ohne Internet und habe deshalb erst spät mitgekriegt, was passiert war“, erinnert sich der 28-Jährige. Zu diesem Zeitpunkt neigte sich sein Freiwilligendienst bereits dem Ende zu.

Ein Jahr lang arbeitete Robin im St. Petersburger-Büro des Deutsch-Russischen Austauschs. Die Ukraine-Krise erlebte er zwar in der europäischsten Stadt Russlands, bemerkte aber, „dass meine Kollegen als Einzelpersonen kritisch waren, innerhalb der Organisation jedoch zurückhaltender“. Alle Augen richteten sich gleichwohl auf die Ostukraine. „Die Anspannung wie sich die Situation diplomatisch entwickeln würde, war spürbar“, erzählt Robin. Während das westliche Europa abwartend beobachtete, „haben russische Medien die Annexion der Krim sehr früh sehr deutlich propagiert.“

In Russland, schildert der Göttinger weiter, gebe es zwei nationale Identitäten: „Als "russkij" gilt ein Angehöriger der russischen Ethnie. Als "rossijskij" bezeichnet man jeden, der auf dem Gebiet der Russischen Föderation lebt. Im Moment fährt Putin genau diesen patriotischen Kurs und begründet damit, warum er sich die russischsprachigen Gebiete der Ukraine quasi zurückholt.“  Wenig überrascht hat den jungen Deutschen daher, „dass eine satte Mehrheit der Russen die Annexion befürwortete.“ 90 Prozent der Bevölkerung gehen mit Putins Politik d’accord. Parallel dazu erhebt der Kreml die russische Ethnie zum Nonplusultra. Die Folge: Zig Tausende Menschen sind mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert. „Das ist zwar stark verallgemeinert, aber als russische Ethnie gelten erstmal alle Menschen nicht-slawischen Aussehens. Oder noch verkürzter: alle Weißen“, hat Robin beobachtet.

Als EU-Bürger erlebte der europäische Freiwillige eine gespaltene Gesellschaft, die ihrem Präsidenten einerseits die Stange hält, die andererseits aber gerne Anteil hat am fernen Europa. Etwa in wirtschaftlich-materieller Hinsicht: „Europa endet für die Russen an den Grenzen der EU.“ Von St. Petersburg aus habe sich ein regelrechter Finnland-Boom entwickelt, ein Run auf Fahrten in das am nächsten gelegene EU-Land, um ausgiebig einzukaufen. Die politische Krise löst das nicht.

Welche Dimensionen diese mittlerweile in der europäischen Bewertung erreicht hat, bemerkte Robin im Gespräch mit seinen Freunden und der Familie – noch während seines Freiwilligenjahres und seitdem er Ende August in Deutschland zurück ist. Als einer der wenigen, die beide Seiten kennen, findet er Sanktionen noch den gangbarsten Weg, um einen Kurswechsel im Kreml herbeizuführen. „Die Situation ist schwierig, aber sich abzuschotten bringt nichts!“ Diplomatische Beziehungen abzubrechen oder Russland zur Strafe die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 wegzunehmen, „würde die wenigen objektiven Kanäle zum Versiegen bringen und Putins Position weiter stärken.“

 

Was ist comeback 2014 und was läuft? Mehr unter www.comeback2014.eu

(Dr. Tanja Kasischke für JUGEND für Europa)

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