15.11.2014

Über das Brot kaufen im Land des Feuers

Michaela Böttcher macht einen selbstbewussten Eindruck, verbindlich und mit dem nötigen Nachdruck an Couragiertheit. 30 Jahre alt ist die Rückkehrerin heute, und sie meint, dass es ganz gut war schon eine Portion Auslandserfahrung gesammelt zu haben, bevor sie sich für einen EFD in Aserbaidschan entschied.

Aserbaidschan ist ein relativ junges Land aus dem riesigen Nachlass der zerbröselten Sowjetunion. Wie in einigen asiatischen Nachbarländern, hat sich dort eine Oligarchen-Diktatur etabliert, die sich ganz auf die reichen Bodenschätze an Gas und Öl stützt. Und auf die Rivalitäten zum Nachbarland Armenien. „Die Reibereien werden schön aufrecht erhalten, damit man sie bei innenpolitischen Krisen wieder richtig aktivieren kann“, erzählt Michaela und überlegt, ob sie sich jetzt politisch korrekt ausgedrückt hat. Wahrscheinlich nicht, aber wir wollen ja keine political correctness hören sondern wissen, wie es im „Land des Feuers“ zugeht.

Michaela hat vor allem mit Freiwilligen aus anderen Ländern gelebt und gearbeitet. Nur ein weiterer deutscher Freiwilliger war mit ihr in der Stadt Gandsche, sechs Autostunden von der Hauptstadt Baku entfernt. In einer Jugendeinrichtung, die gerade im Entstehen ist, hat sie beim Auf- und Ausbau von Freizeitaktivitäten geholfen. Außerdem konnte sie Englisch-Unterricht geben und Tanzkurse, „denn die Leute da tanzen unglaublich gerne und viel. Es war also eine Art Geben und Nehmen.“ Auch Bewerbungstrainings für junge Leute, die sich auf Erasmus-Programme und auf Programme mit amerikanischen Partnern bewerben wollen, standen auf der umfangreichen To-Do-Liste. „Der Peace-Corps ist der Region sehr aktiv, und deshalb hatte das manchmal schon sehr den Charakter von Entwicklungshilfe“, erzählt die junge Frau. Das ist schwierig, denn das Land ist durchdrungen von Korruption. „Wir haben eine Dienstleistung kostenlos angeboten, und das kann deshalb ja eigentlich nicht gut sein.“ Sagt`s und verdreht genervt von solchen Einstellungen die Augen.

Überhaupt gilt es, sich natürlich auch in Aserbaidschan an die örtlichen Gepflogenheiten anzupassen. Und die sind mal ganz, ganz anders als in Deutschland. „Man sollte sich lieber nicht direkt politisch äußern sondern bestenfalls indirekt über die politischen Werte der Demokratie sprechen. Oder noch besser, sie vorleben.“ Das ist schwer in einer Gesellschaft, in der Frauen eine sehr konkrete und sehr eingeschränkte Rolle spielen. Viele werden noch von ihren Eltern verheiratet, dann bekommen sie Kinder und führen den Haushalt. Punkt. Abends alleine Ausgehen ist nicht üblich, und so verbrachte Michaela viele Abende daheim. Das Glück: Mit ihrem EFD-Kollegen hatte sie ein winziges, traditionelles Haus, in dem sich ihre Freizeit normalerweise abspielte. Von einem Hof aus geht es in drei Bereiche ab: Bad, Wohnen und WC. Gekocht wird – auch im Winter – im Hof. „Wir haben das dann auch so gehandhabt, weil wir ja leben wollten wie die Aserbaidschaner.“ Und zum Glück wurde das anerkannt, so dass die verpassten Kneipenabende durch viele Besuche bei Nachbarn kompensiert werden konnten.

Überhaupt: Es zeigt sich auch in Aserbaidschan, dass die Regierung eben nicht das Volk ist. Denn das ist offen, herzlich, interessiert an Fremden und von einer tiefen Gastfreundschaft durchdrungen. Dieses Gefühl macht vieles wett, worauf EFDler dort verzichten müssen. Es birgt sogar Elemente, an die Michaela gerne zurück denkt. An den öffentlichen Nahverkehr beispielsweise. „Wenn man die Sprache beherrscht, dann holt einen der Busfahrer daheim ab. Und im Bus gibt`s Essen mit den Einheimischen. Einmal sind die sogar einen Umweg gefahren, um uns frisches Brot zu kaufen – das ist schon toll!“

Aber wie gesagt: Die Strukturen sind gewöhnungsbedürftig. Und hätte Michaela nicht zuvor mit Erasmus in der Türkei studiert, wäre der Aufenthalt vielleicht zu schwer geworden. Die Balance zu finden zwischen Freiheit und Anpassung an die Diktatur, zwischen Emanzipation und traditionellem Frauenbild, das ist eine Herausforderung. Dennoch meint Michaela, dass viel mehr junge Europäer ihren EFD in Aserbaidschan absolvieren sollten. „Dass wir unsere Werte dahin bringen, das ist schon gut für das Land“, sagt sie und ist zu Recht stolz darauf, dass sie ihren Beitrag dazu geleistet hat.

Michaela Böttchers (elaenvoyage) Blog auf www.youthreporter.eu

 

Was ist comeback 2014 und was läuft? Mehr unter www.comeback2014.eu

(Jörg Wild für JUGEND für Europa)

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