14.11.2011

Es könnte alles so schön sein: 11. Forum thematisierte die Umsetzung der EU-Jugendstrategie

„Neue Impulse durch die EU-Jugendstrategie“ trafen auf die Sorge um den Verlust des Jugendprogramms.

Als vor einem Jahr das 10. Forum zu „Perspektiven Europäischer Jugendpolitik“ die Erwartungen an die Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland thematisierte, war die europäische Welt noch vergleichsweise in Ordnung. Die Krisen waren noch klein, Untergangsszenarien kannte man eher aus Hollywood und das Wort „Einheitsregierungen“ war noch nicht erfunden.

Im November 2011 ist das anders. „Europa“ scheint kaum ein attraktives Thema für eine Tagung. Das 11. Forum, das vom 10.-11. November 2011 in Berlin stattfand, setzte den schlechten Nachrichten „Neue Impulse durch die EU-Jugendstrategie“ entgegen. Auch wenn, wie Werner Theisen vom Ministerium für Arbeit und Soziales Sachsen-Anhalt und Mitglied der Bund Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie meinte, dass diese Impulse nicht immer neu seien, die gemeinsamen Aktivitäten von Bund und Ländern doch mehr als das, was man ohnehin schon tue.

Neben der Gelegenheit, gezielter voneinander zu lernen, richte sich das politische Augenmerk doch deutlicher auf die Belange Jugendlicher. Lutz Stroppe, Leiter der Abteilung Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, unterstrich diese Einschätzung, indem er die Eckpfeiler einer „eigenständigen Jugendpolitik“ darlegte. Sowohl EU-Jugendstrategie wie auch der Koalitionsvertrag fordern eine stärkere Abstimmung zwischen der Jugendpolitik und anderen einschlägigen Politik-Bereichen, insbesondere Bildung, Beschäftigung, soziale Eingliederung, Kultur und Gesundheit. Das aber reiche nicht, so Stroppe. Deswegen wolle das BMFSFJ, analog zur „Allianz für Bildung“, eine breiter gefasste „Allianz für Jugend“ initiieren. Damit sollten nicht nur die mit jugendpolitischen Themen befassten Ressorts und Ministerien angesprochen, sondern auch zivilgesellschaftliche Akteure, Forschung, Wirtschaft, Medien und nicht zuletzt die Jugend selbst beteiligt werden. Ziel sei es, auf alle jugendpolitischen Themen Einfluss zu nehmen und mehr Spielraum für jugendpolitische Aktivitäten zu schaffen. „Jugend“ sei zu lange unter der Defizitperspektive betrachtet worden, so Stroppe. Eine wichtige Aufgabe sei es deshalb, mit der Allianz ein Klima der Anerkennung und Respekt für Jugendliche fördern. Der Weg über Fachforen, Expertisen und Projekte sowie Jugendbeteiligung sei vielleicht etwas länger als der über eine interministerielle Arbeitsgruppe, dafür aber nachhaltiger, hofft er.

Was sich zunächst abstrakt anhörte, wurde auf einem „Projektmarkt“ und einem „World Café“ lebendig. Beide Formate boten den 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Jugendhilfe und Jugendpolitik Gelegenheit, konkrete Ideen kennenzulernen und Forderungen zu diskutieren. Damit wurden die drei Themenkorridore, die bis 2012 Schwerpunkt der Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland sind, konkret:

  • Partizipation fördern und Demokratie stärken,
  • die Anerkennung und Sichtbarmachung der nicht formalen und informellen Lernangebote in der Jugendarbeit
  • sowie die Erschließung neuer Lernfelder und Kompetenzen zur Integration sozial benachteiligter junger Menschen in Bildung, Ausbildung und Beruf.

Projekte aus Mecklenburg-Vorpommern, Luxemburg, Hessen oder Österreich zum Strukturierten Dialog oder zur Berufsorientierung boten den Hintergrund für konzentrierte Diskussionen und gemeinsame Perspektiven. Es könnte also alles so schön sein.

Doch die Unsicherheit um die Zukunft des EU-Jugendprogramms warf immer wieder Schatten auf die durchweg positive Zwischenbilanz europäischer jugendpolitischer Zusammenarbeit. So fragte Birgit Klausser, stellvertretende Abteilungsleiterin im Österreichischen Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, ob man nicht in den letzten Jahren die falsche Strategie angewendet habe. Jugendarbeit gerate mit ihrer Betonung als Bildungsanbieter in Konkurrenz zur formalen Bildung und sei dieser – die drohende Streichung des EU-Jugendprogramms zeige es – letztendlich unterlegen. Die Kernkompetenz von Jugendarbeit, so mahnte sie, sei doch, die Autonomie von Jugendlichen zu stärken. Auf diese solle man sich besinnen. Lasse Siurala, Leiter der Abteilung Jugend der Stadt Helsinki, machte eine ähnliche Rechnung auf. Im Ländervergleich ging er auf das unterschiedliche Verständnis von Jugendarbeit in Europa ein. Ihr Ziel sei konzeptionell entweder eher die Emanzipation oder die Integration Jugendlicher. Damit fokussiere sie entweder darauf, allen Jugendlichen Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen oder jungen Menschen mit Problemen Unterstützung, zum Beispiel für den Übergang von der Schule in den Beruf, zu bieten. Während er die EU-Jugendstrategie in der Mitte zwischen beiden Polen ansetzte, sah er in einigen europäischen Ländern den jugendpolitischen Trend, die Integration Jugendlicher durch Bildung und Ausbildung in den Vordergrund zu stellen.

Dass die Jugendpolitik in der Tat noch einen langen Weg der Durchsetzung vor sich hat, zeigte auch die Podiumsdiskussion mit drei Bundestagsabgeordneten. Nadine Schön (CDU), Sybille Laurischk (FDP) und Sönke Rix (SPD), alle drei Mitglieder des Bundestagsauschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, machten keinen Hehl daraus, dass weder die EU-Jugendstrategie noch eine eigenständige Jugendpolitik besonders prominent diskutiert wird. So freute man sich auch darüber, dass im Kinder- und Jugendplan des Bundes nur wenig gekürzt wird, während der Etat für die formale Bildung kräftig zulegt. Auch wenn hieran die Jugendarbeit partizipieren könnte, verbucht solche Erfolge das Bildungs-, nicht das Jugendressort. Um so deutlicher baten die Abgeordneten um mehr Informationen: „Machen Sie mehr Öffentlichkeitsarbeit ins Parlament“, riet Sönke Rix. Keine Frage, dass alle drei gleich eingeladen wurden, wiederzukommen. „Die Politik hat Interesse an uns gefunden.

Wir müssen diesen Dialog ausgestalten“, resümierten die Veranstalter, die am Schluss 11 Botschaften des 11. Forums formulierten. Die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa und die nationale Jugendpolitik seien nicht mehr zu trennen und stärkten sich gegenseitig, so die vorläufige Bilanz. Die Träger der Jugendarbeit sollten „befeuert“ werden in dem, was sie tun, und dafür ein breites Forum erhalten. Vor allem aber müsse Jugendpolitik als eigenes Feld erhalten bleiben. Dazu zähle notwendig ein eigenes Jugendprogramm; dies sei von einer erfolgreichen Umsetzung der EU-Jugendstrategie nicht zu trennen. Hier seien sich Bundesrat, Bundestag, Ministerium und Träger einig. Der große Applaus der Zuhörer klang ebenso nach Trotz in schwierigen Zeiten wie der Nachsatz der Veranstalter: „Wir werden nicht aufhören, diese Botschaft weiterzutragen.“

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Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf www.jugendpolitikineuropa.de.

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