19.12.2008

Jugendinitiative - Schule muss anders laufen

Mitbestimmung und Partizipation in der Schule – Das ist schwierig, aber es geht, wie das Beispiel des Münchner Schülerbüros zeigt – Eine Jugendinitiative zwischen schulischer und außerschulischer Bildung

Ganztagsschule, G8, Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, oder etwa doch nicht? Die Ideen, wie Schule verändert werden soll, sind so zahlreich wie verwirrend.

Immer, wenn wieder einmal die deutsche Bildungsmisere beschworen wird, werden gerne Patentrezepte aus dem Zauberhut gezogen – und Schulen wie Schülern und Lehrern verordnet. Von verstärkter Schülermitbestimmung allerdings hört und liest man in diesem Zusammenhang wenig. Eher wird verärgert reagiert, wenn Schüler öffentlich ihren Unmut ausdrücken wollen, wie über ihre Köpfe hinweg mit ihrer Zukunft umgegangen wird. Demonstrieren?! Ja gut, aber bitte nicht während des Unterrichts!

Auch die 19jährige Marina Lessig ist überzeugt, dass „Schule grundsätzlich anders laufen muss“. Die Schülerin ist die Vorsitzende des Münchner Schülerbüros (MSB), das sich seit zwölf Jahren (in wechselnder Besetzung wohlgemerkt) für mehr Demokratie an Schulen einsetzt. Über 20 Mitarbeiter hat das Büro derzeit. Die Jugendlichen helfen anderen Jugendlichen aus München und Umgebung ihre schulischen Mitbestimmungsmöglichkeiten besser wahrnehmen zu können.

„Denn viele Leute, die in Schülervertretungen aktiv sind, wissen gar nicht, welche Rechte sie haben und wie sie sich für diese stark machen können“, erklärt Marina, die seit einem Jahr das Münchner Büro leitet. „Vor allem neu gewählte Schülervertretungen haben das Gefühl, das Rad ständig neu erfinden zu müssen.“

Größeres Vernetzungsprojekt in drei Teilen

Das allerdings ist mühsam – und nicht wirklich produktiv. Mit seinen Fortbildungsseminaren gibt das Münchner Schülerbüro das Wissen weiter, das andere Schülergenerationen zuvor bereits gewonnen haben. Um den Lebensraum Schule erfolgreich zu bepflanzen, sind gewisse Grundlagen notwendig: Basiswissen für die Arbeit in Schülermitverwaltungen wird in den Seminaren ebenso vermittelt wie Kenntnisse im Projektmanagement und in der Rhetorik.

„Doch Schule verändern kann nicht im Kleinen geschehen – Zusammenarbeit ist angesagt“, sagte sich das Münchner Schülerbüro 2007 und stellte über das EU-Programm JUGEND IN AKTION einen Jugendinitiativantrag für ein längerfristiges Vernetzungsprojekt. Drei Komponenten umfasste das Projekt: Die Konzeption einer Seminarreihe an Hauptschulen, die Durchführung eines Schülerkongresses und die Veröffentlichung eines Handbuchs zu Mitbestimmungsmöglichkeiten an Schulen.

Die Seminarreihe für Hauptschulen – Anpacken statt herumreden

Grundsätzlich kann jede Schule das Münchner Schülerbüro für Fortbildungen anfragen. Doch für unterschiedliche Schulformen braucht es unterschiedliche Methoden. Mit der Seminarreihe „Der Schulbaukasten“ entwickelte das Münchner Schülerbüro ein Angebot speziell für Hauptschulen. Denn gerade dort existieren meist nur schwache Schülervertretungsstrukturen.

In den Seminaren steht die Praxis im Vordergrund. Projektideen sollen sofort umgesetzt werden, „damit das auch wirklich was wird mit Schülerzeitung und Cafeteria“, sagt Marina. Erfolge sind wichtig. In Workshops lernen die Teilnehmer, was Mitspracherecht konkret bedeutet und welche Rechte Klassensprecher besitzen. Gemeinschaftliche Spiele stärken die Gruppendynamik unter den Schülern, aber auch Diskussionen zu Themen wie Rassismus oder Gleichstellung von Mädchen und Jungen.

Das Feedback auf die ersten vier Veranstaltungen, die 2007/2008 liefen, war sehr positiv. „Viele Teilnehmer hatten ein Aha-Erlebnis. Ihnen wurde klar: Ich kann meine Schule verändern.“ Für Marina steht daher fest, dass die Arbeit an den Hauptschulen fortgesetzt werden muss: „In München gibt es viele solcher Schulen, aber ihr Anteil an der Schülervertretungsarbeit ist immer noch sehr gering.“

Der Schülerkongress – Netzwerken ist die halbe Miete

Ungefähr 500 Schulen gibt es in München und Oberbayern. Damit die Jugendlichen eine Möglichkeit haben, zusammenzukommen, organisiert das Münchner Schülerbüro seit 2006 einen jährlichen Schülerkongress. „Er soll für uns Münchner Schüler eine Plattform sein, um uns auszutauschen, zu vernetzen und dazu zu lernen“, erklärt Marina die Idee. Auch Vorurteile sollen abgebaut werden, die zwischen den Schulformen existieren.

besser 07 hieß der Schülerkongress, der im November letzten Jahres unter dem Motto stand: „wir denken weiter“. Die Zehntklässlerin Stephanie Dachsberger erinnert sich gut an diese Veranstaltung. Sie begann zu dieser Zeit als Schulsprecherin eines Münchner Gymnasiums und war mit ihrer neuen Rolle noch etwas überfordert.

„Bei uns klappte die Kommunikation zwischen der Schülervertretung und den Schülern nicht richtig. Aber der Kongress hat uns geholfen, das in den Griff zu bekommen“, blickt die 15jährige zurück. besser 07 hat sie über ihre Rechte und Pflichten nachdenken lassen. Am Besten fand sie aber das Gemeinschaftsgefühl: „Es tut gut zu wissen, dass man mit Problemen nicht alleine ist.“

Dieses Jahr war Stephanie wieder mit an Bord, diesmal als Organisatorin von besser 08. „Der letzte Kongress hatte mich auf den Geschmack gebracht, deshalb bin ich auch Mitglied im Münchner Schülerbüro geworden“, erklärt sie. Die Vernetzung geht weiter.

Das Handbuch – Und noch einmal zum Mitschreiben…       

Der dritte Baustein des Vernetzungsprojekts bündelte schließlich die Informationen zu einem Handbuch über Schülermitbestimmung. „Manche Schüler fühlten sich von der Fülle der Informationen, die wir bei Seminaren vermitteln, erschlagen. Sie kamen und fragten, ob sie die Ratschläge auch schriftlich bekommen könnten“, erklärt Marina Lessig, wie es zu der Idee kam.

In den Ferien von sechs Autoren des Münchner Schülerbüros geschrieben beinhaltet der Leitfaden auf 152 Seiten wichtige Informationen über schulische Mitbestimmungsmöglichkeiten und sonstige allgemeine Hinweise für Schüler und Schülervertreter. „Das Handbuch wird derzeit verteilt und gibt es außerdem in großer Stückzahl bei uns im Büro. Wer ein Problem hat, darf aber immer noch anrufen, eine Mail schreiben oder einfach bei uns vorbeikommen.“, lädt Marina ein, sich an der Arbeit des Münchner Schülerbüros zu beteiligen.

Das Rad gibt es schon, es muss nur rollen. Egal ob mit dreigliedrigem Schulsystem oder ohne.

Susanne Zdrzalek / Andreas Klünter

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Mehr Informationen zum Münchner Schülerbüro gibt es unter www.schuelerbuero.de.

Das Handbuch kann per E-Mail bestellt werden unter: info@schuelerbuero.de.

 

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