03.05.2007

Marktplatz der Guten Projekte

Jugendliche aus ganz Europa präsentierten während des Kölner Jugendevents eigene Projekte, die zeigen, wie junge Menschen gesellschaftliche Prozesse in Gang setzen können. Andreas Menn ist auf dem "Marktplatz" spazieren gegangen und hat sich zwei Projekte einmal genauer angeschaut.

Bilder für die Bildung

Brüsseler Jugendliche drehen einen Dokumentarfilm über ungleiche Bildungschancen und die Situation in den Schulen.

Der Pathé Palace, eines der ältesten und prachtvollsten Brüsseler Kinos, hat schon vieles erlebt, doch die Premiere Mitte Mai wird eine ganz andere werden: Vor ausgewähltem Publikum wird ein Dokumentarfilm über die Leinwand flimmern, dessen Macher gerade Anfang 20 sind und die mit dem Filmemachen eigentlich nichts am Hut haben. Die fünf jungen Leute arbeiten freiwillig in Brüsseler Jugendhäusern und es geht es nicht ums Kino, sondern um die Nachricht, die sie mit ihrem Film verbreiten möchten: Mit der Bildung stehe es schlecht in Belgien; ganz besonders litten darunter jene, die ohnehin schon auf sozial schwach seien – und das seien meistens die Migranten.

„Wir möchten die Menschen aufrütteln“, sagt Filmemacherin Fadoua Lamghari. „Immigranten stehen in Sachen Bildung am schlechtesten da: Viele können kaum Lesen und Schreiben, überdurchschnittlich viele erreichen keinen Schulabschluss.“ Eine der wichtigsten Ursachen liege im Bildungssystem, sagt Fadoua, deren Großvater aus Marokko nach Frankreich kam. „Zahlen der PISA-Studie belegen, dass die belgische Schulerziehung in ganz Europa am stärksten von sozialer Ungleichheit geprägt ist. Mir selbst sagten sie in der Schule, dass ich nicht kompetent genug sei um zu studieren. Immigranten müssen mit der Hand arbeiten - das ist die Mentalität hier.“

Der Dokumentarfilm soll nun eine Debatte lostreten. „Bruxellois en classes“ haben die Jugendlichen ihren Streifen benannt, und behaupten damit gleich im Titel, dass Jugendliche in Brüssel nicht nur nach Schulklassen, sondern auch nach sozialen Klassen eingeteilt seien. Sechs Monate lang ging die junge Filmcrew auf Spurensuche, interviewte Lehrer, Soziologen, Jugendarbeiter, Politiker und Jugendliche selbst. Das Geld für die Kamera, für das Material und den Computer zum Schneiden erhielten sie vom Erziehungsministerium und aus dem JUGEND-Programm der EU. „Ich habe meine gesamte Freizeit in das Projekt gesteckt“, sagt Fadoua, die an der Brüsseler Uni Sozialarbeit studiert.

Nicht jeder war begeistert von der Idee; der Bürgermeister des Stadtteils habe Unmut geäußert, berichtet Fadoua. Keine Frage, der Auftritt der jungen Filmemacher ist unbequem. Das gesamte Bildungssystem müsse besser und gerechter werden, fordern sie; Vorurteile sollten abgebaut werden; Jugendliche müssten mehr Lehranreize erhalten, unter anderem durch viel kleinere Schulklassen. Die Chancen, dass die richtigen Ansprechpartner davon Wind bekommen, stehen gut: Die 300 Premierenkarten gingen an Erzieher, Jugendarbeiter, Gewerkschaftler, Politiker und Schüler – danach soll der Film durch Schulen und öffentliche Einrichtungen touren.

Auch schwul ist cool

Homosexuelle Jugendliche haben in Dublin 2003 eine Anlaufstelle bekommen – und machen öffentlich auf sich aufmerksam.

Die Mädels auf dem Plakat erinnern an Britney Spears in ihrem ersten Video: Schuluniform, karierter Rock und strenge Weste, selbstbewusster Blick – so stehen sie nebeneinander im Flur vor ihren Schließfächern und schauen ein wenig provokant drein. Doch anders als Britney wollen sie jetzt nicht tanzen, sie wollen eine Message loswerden: „She is gay and we’re cool with that“ („Sie ist homo und wie finden’s total okay!“).

Junge Schwule und Lesben haben es in der Gesellschaft nicht immer einfach; in Irland hatten sie bis vor kurzer Zeit nicht einmal eine Anlaufstelle. Seit 2003 ist das anders, denn da gründeten Homosexuellen-Verbände und die Dubliner Stadtverwaltung das Projekt BeLonG To. Seitdem treffen sich jede Woche mehr als 30 Jugendliche zwischen 14 bis 23 Jahren im Dubliner Gemeinschaftszentrum Outhouse. Sie alle sind, die großen Buchstaben LGBT sagen es, lesbisch, schwul, bisexuell oder „transgender“.

Im Gemeinschaftshaus finden sie einmal die Woche eine sichere, entspannte und freundschaftliche Umgebung, in der sie sich treffen, reden, Spaß haben und diskutieren können. Das ist bislang einmalig in ganz Irland. Ein Sozialarbeiter betreut die Jugendlichen und verwaltet das Projekt; die Treffen aber werden von einer Gruppe junger Leute selbst organisiert und geleitet. Ein Teil des Budgets stammt aus dem JUGEND-Programm der EU.

Fotokurse, Videodrehs, Tanzen und Schreiben stehen immer mal wieder auf dem Programm, außerdem Austausche mit Jugendlichen in anderen Städten. Das größte Aufsehen erregten die professionellen Plakate, die einige Jugendliche zusammen mit einem Grafik-Designer und einem Künstler entwarfen. Auf den poppigen Postern stehen schwule und lesbische Jugendliche für sexuelles Selbstsein ein – und demonstrieren, dass auch schwul cool ist. Schon jetzt sind die Treffen rege besucht, und es ist nur zu wahrscheinlich, dass BeLonG To wachsen wird: Die Poster hängen seit kurzem in Schulen aus – und zwar in ganz Irland.

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