26.10.2020

Polit-Battle zum comeback 2020: Was ist drin für Europas Jugend?

Tradition beim comeback ist, dass junge Menschen mit Entscheider/-innen aus der Politik ins Gespräch kommen – in diesem Jahr taten das die rund 200 Jugendlichen mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Caren Marks vom Bundesjugendministerium (BMFSFJ), Abgeordneten aus dem Europäischen Parlament und der EU-Jugendvertreterin Wendla Schaper. Das Thema des erstmals virtuell stattfindenden Battles: "Deutsche EU-Ratspräsidentschaft? Was ist drin für Europas Jugend? Und wie können sich Jugendliche demokratisch engagieren?"

Mehr Klimaschutz, Solidarität, Zusammenhalt, Offenheit, eine gemeine Migrationspolitik – das sind die Wünsche, die junge Menschen an die Politik richten. Zumindest die der rund 200 Jugendlichen, die sich beim diesjährigen comeback, dem Rückkehr-Event im Europäischen Solidaritätskorps (ESK) digital trafen. Eigentlich sollten sie vom 23. bis 25. Oktober 2020 alle im thüringischen Weimar zusammenkommen, um sich über ihre Zeit im Ausland auszutauschen, doch Corona machte dies unmöglich.

Luft nach oben

"Zum ersten Mal findet das comeback also rein virtuell statt und das in einem besonderen Jahr, nämlich dem der deutschen EU-Ratspräsidentschaft“, eröffnete der logo!-Moderator Tim Schreder das Polit-Battle. Per Abstimmungstool ließ er voten, inwieweit die Jugendlichen das Gefühl haben, sich an der Zukunft Europas und an politischen Prozessen beteiligen zu können. Das Ergebnis: 57 Prozent sagten, dies sei eher nicht der Fall während 43 Prozent gegenteilig abstimmten.

Wendla Schaper, die als Jugendvertreterin an der EU-Jugendkonferenz im Rahmen der Ratspräsidentschaft teilgenommen hat und die Stimme der Jugendlichen in dem Format repräsentierte, berichtete davon, welche Forderungen Jugendliche aus Europa dort gemeinsam erarbeitet haben. Mit ihr auf dem digitalen Podium saßen sechs weitere Diskutant/-innen: Die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks aus dem Bundesjugendministerium (BMFSFJ), Delara Burkhardt (Abgeordnete der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten), die Abgeordnete Svenja Hahn (Fraktion Renew Europe) sowie Niklas Nienaß (Abgeordneter in der Fraktion der Grünen / Freie Grüne Allianz). Auch zwei ESK-Freiwillige, Frederike Liebelt und Pia Weihing, diskutierten mit. Sie hatten Wendla Schaper bereits im September Statements, was sich in der EU ändern muss, auf die EU-Jugendkonferenz mitgegeben, die sie nun beim Battle vorstellten.

Forderung: Wahlalter absenken auf 16 Jahre

"Teilnehmen und Teilhabe sind wichtige Elemente – egal in welchem Alter – und diese waren in den letzten Monaten eingeschränkt“, sagte Caren Marks zu Beginn. Dabei gelte auch jetzt der Dreiklang Beteiligen, Begegnen und Befähigen. Es sei wichtig, junge Menschen als Expert-/innen in eigener Sache wahrzunehmen. Unterstützungsangebote müssten so aufgestellt werden, dass sie besser erreichbar seien und es brauche Räume und Orte der Beteiligung für alle – im echten Leben wie in der digitalen Welt, betonte Marks.

Die ESK-Freiwillige Liebelt, die ihren Freiwilligendienst in Irland absolvierte, betonte, dass die europäischen Institutionen für Jugendliche oftmals als fernab ihrer Lebensrealität erscheinen – nötig sei aber ein stärkerer Einbezug in den Alltag. Die Möglichkeit, sich an Gesetzgebungsprozessen beteiligen zu können, bestehe nicht, sodass sie sich ein Herabsetzen des Wahlalters auf 16 Jahre wünsche.

Dem stimmte auch die EU-Jugendvertreterin Schaper zu: "Die Absenkung des Wahlalters ist eins der großen Ziele der Konferenz bei der sieben Hauptforderungen entstanden", berichtete sie. Auch brauche es ein Recht darauf, dass alle die Chance auf neutrale Informationen erhalten: "Kritisches Denken muss in die Lehrpläne in Schulen aufgenommen werden, sodass sich so früh wie möglich mit unterschiedlichen Meinungen aber auch Phänomenen wie Falschinformationen auseinandergesetzt wird", sagte Schaper. Aus ihrer Sicht gebe es nicht zu wenig Möglichkeiten für Beteiligung, sondern diese seien weitgehend unbekannt oder nicht ansprechend genug gestaltet.

Demokratie üben

Darüber bestand auch bei den Abgeordneten des Europäischen Parlaments große Einigkeit: Den Weg über die Jugendpartei in die Politik beschrieb Svenja Hahn. "Der Kontakt zu anderen jungen Menschen in Europa hat mich sehr beeinflusst in meinem eigenen politischen Wirken und mich verstehen lassen, dass Probleme und Träume überall ähnlich, aber die Möglichkeiten der Gestaltung sehr unterschiedlich sind", berichtete sie.

"Demokratie muss man üben", sagte auch Niklas Nienaß. Das bedeute, junge Menschen nicht nur anzuhören, sondern dafür zu sorgen, dass ihre Beteiligung auch eine Wirkung habe. Dass junge Menschen also etwa in einem Ausschuss organisiert seien, der auch Rederecht habe und Nachfragen stellen könne oder dass Strukturen in Schulen, Kitas oder Vereinen so gestaltet seien, dass Demokratie dort gelebt werde.

Auf die Frage, wie man als junger Mensch selbst aktiv werden könne, gab die sozialdemokratische Abgeordnete Delara Burkhardt eine Antwort: "Sich aktiv erkundigen bei den Abgeordneten, Ideen an sie weitergeben und den Accounts in den sozialen Medien folgen", sagte sie. Sie treibe bei der Frage der Beteiligung vor allem das Thema um, wie Partizipation für alle ermöglicht werden könne: "Oftmals ist es noch sehr voraussetzungsreich", berichtete sie.

Nationale Egoismen: Problemthema Migration und Integration

Das hochkontroverse Thema Migration sprach die ESK-Freiwillige Pia Weihing an, die ihren Dienst in Italien geleistet hatte: "Ich plädiere dafür, dass sich im Bildungssystem mehr mit dem Thema beschäftigt wird, damit es ein besseres Verständnis davon gibt", sagte sie. Bei der Aufnahme von Geflüchteten müsse mit gutem Beispiel voran gegangen werden und die Integration verbessert werden, forderte sie.

Die Europaabgeordnete Hahn betonte, dass im Parlament ein guter Kompromiss für eine faire Reform des Dublin-Systems, eine klare Positionierung erarbeitet wurde – das Problem sei jedoch, dass die Mitgliedsstaaten diese blockierten. Ein gemeinsames europäisches Migrations- und Asylsystem sei jedoch nötig. Das erklärte auch Nienaß: "Wenn man Menschen aus Italien und Ungarn zusammenbringt im Parlament, die sehr konträre Ansichten haben, zeigt sich da oft ein Verständnis füreinander", sagte er. Bei den Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs gehe es aber weniger um die Regionen, als um Machtinteressen von Staaten, sodass das blockierende Veto-System aus seiner Sicht eliminiert werden müsse.

Auf die Frage aus dem Plenum, ob das pauschale Ablehnen der Geflüchteten auf ein Rassismusproblem in der EU hindeute, sagte Burkhardt: "Das wird ja oftmals gar nicht versteckt von den Regierungen". Jeder Unionsbürger müsse daran arbeite, Menschen für die europäische Idee zu begeistern. Was Jugendliche angehe, sei es wichtig, noch mehr vom Reden ins Handeln zu kommen, lautete der Abschlusswunsch der Parlamentarischen Staatssekretärin. Noch konkreter formulierte es ESK-Rückkehrerin Liebelt: Sie forderte, das ESK-Programm noch stärker auf Schüler/innen auszurichten, um noch früher ansetzen zu können.

(Lisa Brüßler im Auftrag von JUGEND für Europa)