26.03.2019

Europäisches Solidaritätskorps: "Das Wir ist wichtiger als das Ich"

Im Großen wie im Kleinen, auf politischer wie auch auf Verwaltungsebene, zeigte sich bei der Einführungsveranstaltung zum Europäischen Solidaritätskorps (ESK) am 19. März 2019 in Chemnitz, dass es stets gewinnbringender ist, Probleme gemeinsam zu lösen, als sie als Einzelperson anzugehen. Und dafür steht das Europäische Solidaritätskorps.

"Die Solidarität ist der Kitt, der unsere Union zusammenhält. Aber ich weiß auch, dass das nur freiwillig geht. Solidarität muss von Herzen kommen. Sie kann nicht erzwungen werden", so EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Nation 2016. Diese Rede nahm unter anderem Bezug auf den Brexit, den Rechtsruck in Europa und die schwindende Solidarität und stieß die Entwicklung und Einführung des neuen Förderprogramms der EU an: des Europäischen Solidaritätskorps.

Zweieinhalb Jahre nach der Rede von Juncker treffen sich ca. 40 Fachkräfte der Jugendhilfe aus Sachsen in Chemnitz, um sich über das ESK zu informieren. "Besonders vor dem Hintergrund des wachsenden Populismus in Europa ist die Stärkung des 'Wir' unglaublich wichtig", so Bernd Heidenreich vom Landesjugendamt Sachsen bei der Einführung in die Veranstaltung. "Diese politische Dimension wird im ESK ergänzt durch eine persönliche: Die Freiwilligen werden in ihrem Engagement für Europa bestärkt und lernen unglaublich viel dazu", so Heidenreich weiter.

Neu: gesellschaftlicher Bedarf und Mehrwert für lokale Gemeinschaften

Das ESK ist aus dem Europäischen Freiwilligendienst (EFD) hervorgegangen, bietet aber deutlich mehr. Es ist ein komplett neues, eigenes Programm mit verschiedenen Aktionen und einem höheren Fördervolumen. "Inhaltlich geht es beim ESK nach wie vor um den Kompetenzerwerb der jungen Menschen und die europäische Dimension", so Christiane Westenhöfer, Programmreferentin bei der Nationalen Agentur JUGEND für Europa (JfE). "Neu hinzugekommen sind die Aspekte des konkreten gesellschaftlichen Bedarfes an ehrenamtlicher Arbeit und der Mehrwert für die lokale Gemeinschaft", so Westenhöfer weiter. Und damit hat auch auf inhaltlicher Ebene das „Wir“ noch mehr an Bedeutung gewonnen.

Formal und administrativ habe sich, so Roland Schiebold, Sachbearbeiter bei JfE, im Vergleich zum EFD wenig geändert. "Die Abläufe sind in etwa die gleichen und die digitalen Tools ebenso. Das Wording hat sich an einigen Stellen geändert, 'ECAS' heißt jetzt zum Beispiel 'EU-Login'", so Schiebold. "Und nach wie vor gilt: Sollten Sie Schwierigkeiten bei der Programmentwicklung, Antragstellung, mit den digitalen Tools oder der Abrechnung haben, zögern Sie nicht, uns, die Nationale Agentur anzurufen. Schließlich sind wir daran interessiert, dass möglichst viele junge Menschen einen Dienst im ESK machen und dass Sie, die Organisationen, Projekte durchführen", so Schiebold. Auch bei der Projektkoordination lohnt sich also ein „Wir“.

Unterschiedlichste Hintergründe, unterschiedlichste Fragen

Von erfahrenen Antragstellenden bis hin zu Neulingen auf dem Gebiet der internationalen Jugendarbeit war unter den Teilnehmenden alles vertreten und dementsprechend breit gefächert waren die Fragen, die aufkamen. Andrea Geyer vom Landesverband Kulturelle Jugendbildung Sachsen e.V. wollte sich beispielsweise über die Rolle ihrer Organisation als Entsendeorganisation informieren und ob dieses Rollenverständnis ähnlich sei, wie im EFD. Daraufhin Westenhöfer: "Entsende- und koordinierende Organisationen werden nun unter 'Supporting Organisations' zusammengefasst". Das ändere aber nichts daran, dass Entsende- und Aufnahmeorganisation weiterhin eng in der Entwicklung des Projekts und der Betreuung der Freiwilligen zusammenarbeiten müssen – "Wir".

Ein neues Format im ESK sind die Freiwilligenteams – Jugendgruppen, die gemeinsam eine Freiwilligentätigkeit im Ausland mit einer Dauer von bis zu zwei Monaten durchführen. Vergleichbar ist das mit einem Workcamp, richtet sich aber prioritär an junge Menschen mit geringeren Chancen und die Einsatzstellen müssen als Aufnahmeorganisation akkreditiert sein. Uwe Rühlemann und andere Teilnehmende kritisierten, dass die Tagessätze von 24,- Euro Aktivitätskosten kaum ausreichen würden, um die Teilnehmenden unterzubringen und zu verpflegen.

Christian Päutz von der Akademie Ehrenamt bei der KINDERVEREINIGUNG Chemnitz e.V. hat noch gar keine Erfahrungen in der internationalen Jugendarbeit: "Wir unterstützen junge Menschen, wenn sie lokale, ehrenamtliche Projekte umsetzen wollen. Heute will ich erst mal schauen, ob das ESK etwas für uns ist und ob wir das stemmen können."

ESK kann europäischen Zusammenhalt auf lokaler Ebene stärken

Das ESK bietet also vielfältige Förderlinien und bedient die unterschiedlichen Bedarfe der Organisationen wie auch die Wünsche der Freiwilligen und ist somit in der Lage, verschiedenste gesellschaftliche Problemfelder anzugehen.

"Es ist natürlich fraglich, ob ein Jugendprogramm in der Lage ist, das Auseinanderbrechen Europas aufzuhalten", so Manfred von Hebel, stellvertretender Leiter bei JfE. "Dennoch halte ich es für einen möglichen Weg, Europa im Kleinen und auf lokaler Ebene greifbar und begreifbar zu machen und junge Menschen für diese Idee zu begeistern." Und das ist besonders wichtig in einer Stadt wie Chemnitz. Über gemeinsames Engagement wird Europa auf sehr nachhaltige Weise erfahrbar. "Wir".

(Text und Foto: Babette Pohle für JUGEND für Europa)

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