13.01.2015

Brücken bauen: Zwischen "wir" und "sie"

Rund zwanzig junge Menschen aus europäischen Organisationen trafen sich bei dem zweiten "Across the line"-Training in Berlin, um über Diversität in der internationalen Jugendarbeit zu sprechen und Projektideen anzustoßen.

Ein großer Raum, voll von jungen Menschen, die sich Plakate um den Hals gehängt haben. Wie Aktivisten sehen die Vertreter europäischer Organisationen aus, die gegenseitig um Aufmerksamkeit für die gute Sache buhlen. Mit der Markplatz-Methode wollen sie nichts verkaufen, aber eine Botschaft verkünden: "Kommt mit uns in Gespräch! Es lohnt sich!"

So gestaltete sich das Kennenlernen der Teilnehmer am "Across the line“"Training in Berlin. Alle sind in der internationalen Jugendarbeit tätig sind und arbeiten am Zugang zur "cross-community-work". Sie alle haben Erfahrung mit der Vernetzung von communities, die ansonsten nebeneinander existieren, ohne viel voneinander zu wissen. Ob Nasir von der Somali-community in Finnland, Olga aus der Ukraine, die derzeit in Schweden lebt, oder Anna aus Ungarn, die in einer Organisation arbeitet, die sich um Asylsuchende und Flüchtlinge kümmert.

"Das wichtigste ist der Dialog, den wir hier entstehen lassen. Ich habe sehr unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen hören können, die ich mit nach Rumänien nehme", erzählt Natalia Ermicoi. Sie organisiert das Programm für Cluj, die European Youth Capital 2015, das einen speziellen Fokus auf Diversität legen wird.

Verschiedenheit statt Trennung

Was ist cross-community-work überhaupt? Welche länderspezifischen Unterschiede gibt es in der Definition und wie wird der Begriff in in den verschiedenen Ländern aufgefasst? Mit all diesen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmer und kamen oft zu unterschiedlichen Ergebnissen.

"Für mich bedeutet 'cross-community-work' vor allem respektvolles Verhalten gegenüber anderen, ein geteiltes Verständnis von bestimmten interkulturellen Werten und die Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses", sagt Olga Lopatynska. Beata Bozso aus Ungarn ergänzt: "Es geht auch darum, gemeinsame Ziele und Lösungen zu finden, um eher Verschiedenheit als Trennung zu thematisieren."

Bei Kurzbesuchen lernten die Teilnehmer in Berlin ansässige Organisationen kennen, die versuchen "communities" zusammenzubringen. So etwa den jungen Verein "Berlin Interkulturell" aus Berlin-Mitte, der über wöchentlich stattfindende Projekte Begegnungensmöglichkeiten Jugendlichen schafft, die in gemeinschaftlichem Engagement enden. Jugendliche zwischen zwölf und 27 Jahren können hier kostenlos an Projekten aus den Bereichen Kunst, Film, Theater, Fotografie und Street Art teilnehmen. Oft arbeitet der Verein mit türkischen, russischen, kurdischen oder Roma-Organisationen zusammen – die Sprache bildet da kaum eine Barriere: "Unser Motto und Ziel ist es, sich auch mit wenigen Worten gegenseitig zu verstehen", erzählt Projektgründerin Juliane Marquardt.

Auch die interkulturelle Organisation der Roma in Deutschland, Amaro Drom, war vertreten. "Wir versuchen zu integrieren, geben Sprachkurse und vermitteln Praktika. Vieles ist aber auch Glück - und Leute, die Hilfe brauchen, finden nur über Bekannte zu uns“, erzählt Mardjan Jakupov von Amaro Drom und erklärt, dass Roma aus den ehemaligen jugoslawischen Staaten zum Beispiel andere Bedürfnisse haben als Roma aus den neuen EU-Ländern.

Across the line

Wer aber muss bei der "cross-community-work" die Linie überqueren und warum? Warum gibt es immer wieder die Unterscheidung vom "wir" und "sie"? Oft ging es beim Training um Fragen nach Identität und Zugehörigkeit. "Die eigene Definition von Heimat und Zugehörigkeit kann sich ändern. Ich persönlich glaube nicht an die Idee von reiner Identifikation über die nationalstaatliche Zugehörigkeit", sagte Dusan Milojevic, der in Deutschland lebt.

"Wir vergessen oft, dass die Minderheiten, wie wir sie nennen, oft schon ein Teil der Kultur sind, die Steuern zahlen und an dieselben Regeln gebunden sind wie andere auch“, sagte Olsi Marko, der in Albanien aufwuchs und in Finnland lebt. Einigkeit bestand darin, dass es hilft, die eigenen Grenzen zu überqueren, um ein Verständnis für die interkulturelle Dimension zu bekommen. Und auch Trainings wie dieses leisten einen Beitrag dazu.

Im letzten Schritt des Trainings arbeiteten die Teilnehmer an Ideen über mögliche internationalen Projekte, die zwischen Mehr- und Minderheiten ablaufen. Die vorgestellten finanziellen Fördermöglichkeiten des EU-Programms Erasmus+ JUGEND IN AKTION sorgten schon für erste Ideen über mögliche Austauschprojekte. Paavo Pyykkönen von der finnischen Nationalagentur machte den Teilnehmern Mut: "Nehmt eure Chancen wahr und stellt Anträge.“

(Lisa Brüßler für JUGEND für Europa)

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Das Training wurde organisiert von JUGEND für Europa in Kooperation mit der finnischen und der britischen Nationalagentur für Erasmus+ JUGEND IN AKTION.

Weiterführende Literatur

MORE THAN CULTURE. Diversitätsbewusste Bildung in der internationalen Jugendarbeit. Eine Handreichung für die Praxis. (PDF-Dokument, 7.6 Mb)

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